Liebe Leserinnen und Leser

Es gibt wunderbare, sogar märchenhafte Geschichten in der Bibel, die nur selten Predigttexte werden und kaum in unserem Alltag vorkommen. Vielleicht kennen wir manche dieser Geschichten nicht einmal.

Mit einer dieser Geschichten darf ich mich in dieser Woche beschäftigen. Sie ist Grundlage für unsere letzte  Passionsandacht in diesem Jahr am Mittwochabend . Die Geschichte von Bileam und seiner Eselin und von Blockaden, die einen hindern, in die richtige Richtung zu gehen und die richtigen Fragen zu stellen.

Und wenn ich mich schon damit beschäftige, kann ich doch auch gleich Ihnen und Euch ein bisschen von dieser Geschichte erzählen. Vielleicht gefällt sie Euch ja auch!

Also die Geschichte vom Propheten Bileam und seiner Eselin (nachzulesen in 4. Mose 22).

Das Volk Israel nähert sich nach langer Wüstenwanderung langsam von Osten her dem Ziel der Reise in Kanaan. Es muss durch das Land Moab, und dessen König, Balak will es nicht durchlassen. Er hat Angst und schickt Boten zu einem Seher/Propheten namens Bileam, im Ruf steht, sehr wirkungsvolle Segenssprüche oder aber Verfluchungen aussprechen zu können. Er soll Israel verfluchen, damit Balak es ausschalten kann. So der Plan. Die Delegation kommt bei Bileam an, er muss erst über Nacht Gott befragen. Gottes Antwort lautet „Nein!“. Die Delegation kehrt zum König zurück. Der schickt eine neue, größere mit mehr Geschenken und lässt nochmal fragen. Wieder fragt Bileam Gott, ob er gehen könne und bekommt dieses Mal die Antwort, er könne mitgehen, aber er solle nur das sagen, was Gott ihm mitteilen würde!

Und so geht die Geschichte dann weiter:

Da stand Bileam am Morgen auf und sattelte seine Eselin. Aber der Zorn Gottes entbrannte darüber, dass er hinzog. Und der Engel des HERRN trat in den Weg, um ihm zu widerstehen. Und die Eselin sah den Engel des HERRN auf dem Wege stehen mit einem bloßen Schwert in seiner Hand. Und die Eselin wich vom Weg ab und ging auf dem Felde; Bileam aber schlug sie, um sie wieder auf den Weg zu bringen. Da trat der Engel des HERRN auf den Pfad zwischen den Weinbergen, wo auf beiden Seiten Mauern waren. Und als die Eselin den Engel des HERRN sah, drängte sie sich an die Mauer und klemmte Bileam den Fuß ein an der Mauer, und er schlug sie noch mehr. Da ging der Engel des HERRN weiter und trat an eine enge Stelle, wo kein Platz mehr war auszuweichen, weder zur Rechten noch zur Linken. Und als die Eselin den Engel des HERRN sah, fiel sie auf die Knie unter Bileam. Da entbrannte der Zorn Bileams, und er schlug die Eselin mit dem Stecken. Da tat der HERR der Eselin den Mund auf, und sie sprach zu Bileam: Was hab ich dir getan, dass du mich nun dreimal geschlagen hast? Bileam sprach zur Eselin: Weil du Mutwillen mit mir treibst! Ach dass ich jetzt ein Schwert in der Hand hätte, ich wollte dich töten! Die Eselin sprach zu Bileam: Bin ich nicht deine Eselin, auf der du geritten bist von jeher bis auf diesen Tag? War es je meine Art, es so mit dir zu treiben? Er sprach: Nein. Da öffnete der HERR dem Bileam die Augen, dass er den Engel des HERRN auf dem Wege stehen sah mit einem bloßen Schwert in seiner Hand, und er neigte sich und fiel nieder auf sein Angesicht.

Und der Engel des HERRN sprach zu ihm: Warum hast du deine Eselin nun dreimal geschlagen? Siehe, ich habe mich aufgemacht, um dir zu widerstehen; denn der Weg vor mir führt ins Verderben.

Bileam hatte Gott befragt. Er hatte aber nicht gefragt, was Gott will, sondern nur, ob er das, was er, Bileam eigentlich will, machen kann. Kenne ich von mir auch. Eigentlich möchte ich etwas, und stelle es dann grundsätzlich nicht mehr in Frage. Meine Fragen sind meist nur noch technischer Natur. Worauf muss ich achten, wo sollte ich aufpassen, welche Fehler vermeiden? Genauso macht es Bileam. Er stellt sich nicht die Frage, ob es richtig ist, dieses neue Volk zu verfluchen und sich dafür bezahlen zu lassen. Er fragt nur, ob Gott etwas dagegen hat, dass er mit der Delegation geht.

Mit diesem „Tunnelblick“ kann er das Besondere, das er nicht auf dem Schirm hat, den Engel natürlich nicht sehen. So wie wir manche Bedrohungen nicht sehen, wenn wir uns nur in bestimmten Denkweisen bewegen. Die „Querdenker“ scheinen mir nur ein extremes Beispiel dafür zu sein: „Das nicht sein kann, was nicht sein darf!“ Und dieses extreme Beispiel zeigt dann ähnliche Verhaltensweisen wie Bileam gegenüber seiner Eselin, die die Gefahr sieht und ihr ausweichen will, die versucht, ihren Reiter und sich zu schützen. Und Bileam bekommt es nicht mit und ist nur erzürnt, weil das „Fortbewegungsmittel“ nicht so funktioniert, wie geplant. Kennt Ihr das auch, wenn etwas stört, wird nicht nach der Ursache gefragt, sondern „auf Teufel komm heraus“ nach Alternativen gegriffen oder Gewalt angewendet? „Wenn die Bahn nicht fährt, ruf ich halt ein Taxi! Wenn ich Kopfschmerzen habe, schmeiße ich halt ne Tablette ein!“ Ob die Fahrt nötig ist oder warum ich eigentlich Kopfschmerzen habe, das fragt man gar nicht erst. Man funktioniert und die warnenden Stimmen werden überhört!

Erst als gar nichts mehr geht, nimmt Bileam den Engel und die Gefahr, in der er schwebte, wahr. Kennen wir das auch – mindestens bei Anderen? Dass sie – vielleicht! – Verhaltensweisen erst ändern, nachdem sie zusammengebrochen sind! Ein Verhalten, das uns natürlich nie passieren würde!!

Das vielleicht Charmanteste an dieser märchenhaften Geschichte von Bileam und seiner Eselin ist für mich, dass er, der „Seher/Prophet“ blind ist gegen den Engel. Während es gerade das Tier, das bei uns nicht für überragende Intelligenz und Weitsicht steht, ein Esel bzw. hier eine Eselin, den eigentlichen Durchblick hat. Aber dass Esel beruhigend wirken und uns Menschen gut tun, das hat man immerhin entdeckt und therapeutische „Eselwanderungen“ entwickelt, bei denen man sich dem Tempo der Esel anpassen muss! Vielleicht lernen wir es dann ja in einer zweiten Stufe auch, dies auf unsere Wege mit den zweibeinigen Begleitern und mit uns selbst auszudehnen. Dann könnte der Engel öfter mal sein Schwert stecken lassen! Und wir könnten uns einige Blessuren ersparen, auch wenn wir natürlich gerade in einer Zeit leben, in der es sehr schwer ist, noch länger geduldig zu sein. Aber wem sage ich das! Und trotzdem wünsche ich uns den offenen Blick für das Richtige.

Bleibt behütet und achtet auf die Eselinnen in euch und um euch!

Ihr /Euer Pastor Schnoor