Liebe Leserinnen und Leser

In dieser Woche habe ich Urlaub. Ich habe aber eine, wie ich finde, sehr schöne Wochen-andacht von Michael Becker in einer meiner „Quellen“ gefunden, die Ihnen und Euch hoffentlich auch gefällt. (Werkstatt für Theologie und Predigt 2-2021, S. 71-72)

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Dem Knaben Charly Brown ist „hundeelend“. Er nennt auch den verständlichen Grund dafür: „Was macht man, wenn man sich nirgends zugehörig fühlt? Was kann man tun, wenn das Leben an einem vorbeirauscht?“ Diese Fragen sind nicht nur berechtigt, sondern wohl vielen Menschen vertraut. Ebenso vertraut ist vielen, dass sie sich dann „hundeelend“ fühlen und sich fragen: Wie soll ich noch leben, wenn ich so empfinde?

 Charly hat Glück und kommt sofort dran, als er Lucy aufsucht, die sich als „Psychiatrische Beratung“ ausgibt. Das ist, wie vieles bei Lucy, ziemlich großspurig. Mit ihrer gelegentlichen Grobheit und ihren meist starken Sprüchen verdeckt sie manche Unsicherheiten in sich. Hier aber ist sie zunächst anders. Erst verwickelt sie Charly in ein für ihre Verhältnisse einfühlsames Gespräch und zeigt ihm die eine Welt, die auch für Charly gemacht ist. Das Warten auf eine andere Welt oder das Warten auf ein völlig anderes Leben, so sagt sie in etwa, hat keinen Sinn – was Charly ihr bestätigt. Er stimmt zu, dass er in diese Welt, in dieses Leben geboren wurde.

 Das ist der Moment, in dem Lucy ihre Rolle als „Beraterin“ verlässt und das tut, was sie am liebsten tut, nämlich Charly anschreien: DANN LEB GEFÄLLIGST AUCH DARIN! Der arme Charly macht vor Schreck eine Rolle rückwärts, liegt platt auf dem Boden und hört dann noch, dass dieser laute Befehl der Lucy ihn auch noch fünf amerikanische Cent kostet.

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Was für eine großartige Bildergeschichte, finde ich. Man muss vielleicht nicht so rabiat vorgehen, wie es Lucy tut – sie kann eben nicht anders. In der Tiefe ihrer manchmal etwas zu rauen Seele aber hat sie nur recht: Dies ist unsere Welt, dies ist unser Leben; hier gilt es, unser Leben zu leben. Selbstverständlich haben Menschen jedes Recht, sich auch mal „hundeelend“ zu fühlen. Gründe dafür gibt es genug.

 Es gibt aber kein anderes Leben jenseits des Lebens, wo alles besser und schöner wäre. Es gibt dieses Leben. Und dieses Leben machen wir zu dem, was wir für das Beste halten – mit Gottes Hilfe.

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Auch die Jünger Jesu mögen sich „hundeelend“ gefühlt haben in den Tagen nach dem Karfreitag. Ihr Freund und Gefährte ist tot; der, der ihnen Weg, Wahrheit und Leben war, ist nicht mehr bei ihnen. Meinen sie. Sogar der Fischfang geht schief. Bis ihnen ein Fremder am Ufer den Rat gibt: Macht es nochmal, fischt zur Rechten des Bootes – lebt wieder das Leben, das Ihr habt. Und siehe da, die Fischer konnten die Netze kaum ziehen, so groß war ihr Fang. Da sieht Petrus, was er zuvor nicht erkannt hat: Es ist der Herr! ER lebt mit uns. Darum gelingt uns der Fang. So schildert es das Johannesevangelium im 21. Kapitel.

 Lucy ist nicht Jesus; und Charly Brown ist nicht Petrus. Aber etwas ist gleich an diesen beiden Geschichten: Ein Mensch traut einem anderen Menschen das Leben zu. Ein Mensch traut einem anderen Menschen zu, dass er das ihm gegebene Leben bewältigen wird. Und ein Mensch zeigt seine Nähe. „Er lebt mit uns!“ ist die freudige Überraschung des Petrus. Diese Überraschung schenkt ihm wieder etwas Lebens-freude. Er beginnt, seine Empfindung des „hundeelend“ zu überwinden.

 Auch das ist eine Folge der Auferweckung Jesu: er zeigt sich, er nimmt wieder teil am Leben seiner Freundinnen und Freunde – auch wenn die ihn vielleicht nicht gleich erkennen. Etwas anderes aber erkennen und erfahren sie in den Tagen und Wochen nach Ostern: „ER lebt mit uns!“ ER traut uns unser Leben zu.

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Darum trauen wir uns auch. Unser hoffentlich neuer, leiser Mut und die behutsame Tapferkeit unseres Lebens in schwierigen Zeiten muss nicht unbedingt – wie bei Charly Brown – mit Lucys Gebrüll und Charlys Rolle rückwärts beginnen. Und schon gar nicht mit einer Rechnung für einen guten Rat.

 Petrus vollzieht die Wende mit einem eher beschämten Bad im See – als müsse er sich reinwaschen. Er weiß ja um seine Schuld von vor ein paar Tagen. Er hört aber keinen Vorwurf. Im Gegenteil. Beim gemeinsamen Essen bewegen sich alle, gemeinsam mit Jesus, allmählich zurück in ihr eigenes Leben, das ihnen gefehlt hatte. Zugleich wissen sie: „ER lebt mit uns!“ ER traut uns unser Leben zu.

 Leben auch wir – in Gottes Namen und in seinem Geist der Liebe.

Wer im Namen Gottes lebt, wird von Gott getragen.

Habt eine gesegnete Zeit, egal, wie die Einzelheiten aussehen!

Ihr /Euer Pastor Schnoor