Liebe Leserinnen und Leser

Eigentlich hätten wir am Sonntag unseren Gottesdienst im Pastorats-Garten feiern wollen. Aber die Wettervorhersage war nicht gut. Ich verfolgte die Tage vorher gleich bis zu vier Wetterapps, die alle etwas unterschiedliche Angaben machten. Als es Sonntag gegen 7.45 Uhr leicht regnete und immer noch mit 91% Gewitter für 11 Uhr angekündigt wurde, bin ich auf „Nummer Sicher“ gegangen und habe den Gottesdienst in die Kirche verlegt. Und, was passierte? Es klarte auf, blieb trocken, die Sonne schaute heraus und von Gewitter war zur Gottesdienstzeit nichts, aber auch gar nichts zu verspüren – im Gegenteil!

Es war auch in der Kirche ein sehr schöner Gottesdienst, aber draußen wäre doch noch schöner gewesen! Ich war unzufrieden, mit meinem Mangel an Risikobereitschaft, meinem Kleinglauben, es nicht doch zu riskieren, aber auch mit den Wetterprognosen, die sich als falsch erwiesen hatten, jedenfalls für Süderbrarup am Sonntagmorgen.

Wir hatten am Sonntag das Thema „Alles hat seine Zeit“ – und natürlich gibt es auch die Zeit, unzufrieden zu sein. Aber das eigentliche Thema des Sonntags und dieser Woche ist ein anderes. Der Wochenspruch stammt aus dem Epheserbrief (Eph. 5, 8b+9) und lautet: „Wandelt als Kinder des Lichts, die Frucht des Lichts ist lauter Güte und Gerechtigkeit und Wahrheit.“

Und die Lesung des Evangeliums aus der Bergpredigt spitzt es noch weiter zu, wenn Jesus dort zu seinen Jüngerinnen und Jüngern sagt: »Ihr seid das Licht der Welt: Eine Stadt, die auf einem Berg liegt, kann nicht verborgen bleiben! Es zündet ja auch niemand eine Öllampe an und stellt sie dann unter einen Tontopf. Im Gegenteil: Man stellt sie auf den Lampenständer, damit sie allen im Haus Licht gibt. So soll euer Licht vor den Menschen leuchten. Sie sollen eure guten Taten sehen und euren Vater im Himmel preisen.«

Nachdem ich diese Texte gelesen hatte, kam mir dann spontan der moralische Impuls hoch, der mir bei solchen Texten sehr oft hochkommt. Ich hätte am Sonntag stärker glauben sollen, statt mich auf Wettervorhersagen zu verlassen, die seit Corona ja nicht genauer geworden sind. Ich kam mir vor, wie in dem alten Witz: In einem Landstrich der USA herrscht schon lange Dürre. Die Mitglieder der Kirchengemeinde sind zu einem Bittgottesdienst um Regen zusammengekommen. Der Gottesdienst beginnt und der Pastor kritisiert erst einmal die Gemeinde, sie habe keinen Glauben. Man sei doch schließlich zusammengekommen, um Gott um Regen anzuflehen. Aber keiner habe einen Regenschirm mitgebracht! Ich hatte nicht darauf vertraut, dass es trocken bleiben könnte!

Und immer dann, wenn ich bei dem Text höre: Frank, Du sollst das Licht der Welt sein und stärker glauben und besser handeln, dann fällt mir zuverlässig wieder ein, dass das so in der Bergpredigt gar nicht steht, sondern: „Ihr seid das Licht der Welt!“

Es geht also gar nicht um religiöse Leistung, sondern einfach um Konsequenz: Sei, was Du bist! Deshalb erwähnt Jesus auch das absurde Beispiel, eine Lichtquelle anzuzünden, um sie dann unter ein Gefäß zu stellen, so dass sie ihre Funktion nicht erfüllen kann. Das macht niemand, das wäre einfach dumm! Stattdessen wird die Lichtquelle so platziert, dass sie möglichst effektiv leuchtet, also von einer erhöhten Position aus!

Also nicht ein: Vertraue gefälligst darauf, dass Gott es schon nicht regnen lassen wird, wenn Du draußen Gottesdienst feiern willst, sondern: Feiere Gottesdienst draußen oder drinnen halt so gut wie möglich! Und dank unserer vier Musiker, unserer Küsterin und meiner Kollegin, ging das auch in der Kirche sehr schön! Und dass ist das Wichtige!

Was an dem Satz: „Ihr seid das Licht der Welt.“ wirklich entscheidend ist – Jesus spricht uns als begabte Menschen an. Jede und jeder von uns hat Fähigkeiten und Stärken, und die sollen wir zeigen und nicht verstecken. Das Problem liegt darin, dass wir es so oft tun, unsere Gaben verstecken und für zu gering zu halten. Dass das keine gute Vorgehensweise ist, macht ein Text deutlich, der Nelson Mandela zugeschrieben wird:

„Es ist unser Licht, nicht unsere Dunkelheit, was uns am meisten erschreckt. Wir fragen uns: Wer bin ich, um brillant, großartig, talentiert und sagenhaft zu sein? Aber wer bist du eigentlich, um all das nicht zu sein? Du bist ein Kind Gottes. Dein zögerliches Spiel dient der Welt nicht. Es wird nichts erhellt dadurch, dass du dich kleiner machst. Wir wurden geboren, um Gottes Glanz, der in uns ist, offenkundig zu machen. Er ist nicht nur in Einzelnen, sondern in jedem von uns. Wenn wir unser Licht leuchten lassen, geben wir damit anderen die Erlaubnis, dasselbe zu tun. Wenn wir von unserer eigenen Angst befreit sein werden, befreit unsere Gegenwart auch andere.“

(Diesen Text habe ich gefunden: Tina Willms, Erdennah – Himmelweit, Neukirchen-Vluyn 2014, Seite 94.)

Was für ein wundervoller Gedanke, jede/r von uns trägt Gottes Glanz, Gottes Licht in sich. Und unsere Aufgabe ist, was Gott in uns gelegt hat, einfach leuchten zu lassen, um so die Welt um uns ein Stück heller zu machen mit dem Effekt, dass andere Menschen beginnen aufzublühen, und sich selbst zu leuchten trauen, weil es nicht um Perfektion und Freiheit von jeglichen Fehlern geht, sondern einfach darum, sich einzubringen als ein „Original made by God!“ und sich aneinander zu freuen.

So habe ich mich mittlerweile mit meiner zu großen Vorsicht vom vergangenen Sonntag versöhnt, mir aber vorgenommen, beim nächsten Außengottesdienst einfach mehr Vertrauen zu wagen. Und wenn es wirklich regnen sollte, dann kann man immer noch in die Kirche oder ins Pastorat oder an einen anderen geschützten Ort wechseln. Vielleicht, nein wahrscheinlich, wäre das dann ein Gottesdienst, von dem man noch länger sprechen würde!

Und ein letzter Gedanke, der mir durch den Hinweis Jesu wieder neu deutlich geworden ist – und das ist gut, weil ich auch an diesem Punkt zur Vergesslichkeit neige: Es heißt da nicht „Du bist das Licht der Welt“, sondern „Ihr seid das Licht der Welt“. Christsein besteht aus dem je eigene Vertrauen und den je eigenen Fähigkeiten, aber gelebt wird es als „Mannschaftssportart“!

Eine gesegnete Zeit für Sie und Euch  und nicht vergessen:

„Immer schön leuchten“!

Ihr/Euer Pastor Schnoor