Liebe Leserinnen und Leser

Am vergangenen Sonntag stand eine Evangelienlesung auf dem Programm, die erst einmal gar nicht in unsere aktuelle Zeit zu passen scheint, die Geschichte von der sogenannten „Hochzeit zu Kana“ (Johannes 2,1-11). Sie könnte derzeit bei uns jedenfalls nicht stattfinden, da unsere derzeitigen Covid-19 Maßnahmen so große private Veranstaltungen kaum zulassen würden.

Am dritten Tag fand in Kana in Galiläa  eine Hochzeit statt. Auch die Mutter von Jesus nahm daran teil.

2 Jesus und seine Jünger waren ebenfalls zur Hochzeitsfeier eingeladen.

3 Während des Festes ging der Wein aus. Da sagte die Mutter von Jesus zu ihm: »Sie haben keinen Wein mehr!«

4 Jesus antwortete ihr: »Was willst du von mir, Frau? Meine Stunde ist noch nicht gekommen.«

5 Doch seine Mutter sagte zu den Dienern: »Tut alles, was er euch sagt!«

6 Dort gab es auch sechs große Wasserkrüge aus Stein. Die Juden benötigten sie, um sich zu reinigen. Jeder Krug fasste etwa 100 Liter.

7 Jesus sagte zu den Dienern: »Füllt die Krüge mit Wasser.« Die füllten sie bis zum Rand.

8 Dann sagte er zu ihnen: »Schöpft jetzt etwas heraus und bringt es dem Festmeister.« Sie brachten es ihm.

9 Als der Festmeister einen Schluck davon trank, war das Wasser zu Wein geworden. Er wusste natürlich nicht, woher der Wein kam. Aber die Diener, die das Wasser geschöpft hatten, wussten Bescheid. Da rief der Festmeister den Bräutigam zu sich

10 und sagte zu ihm: »Jeder andere schenkt zuerst den guten Wein aus. Und wenn die Gäste dann angetrunken sind, folgt der weniger gute. Du hast den guten Wein bis jetzt zurückgehalten.«

11 Das war das erste Zeichen. Jesus vollbrachte es in Kana in Galiläa. Er machte damit seine Herrlichkeit sichtbar und seine Jünger glaubten an ihn.

600 Liter Wasser zu Wein, damit die Feier weitergehen kann. Bei diesen Dimensionen ist deutlich, die Oberkante für Gäste der aktuelle Corona-Verordnung wäre hier weit überschritten. Aber auch vor Corona hatte diese Geschichte ihre Kritiker. So wird seit Jahrzehnten Jesus vorgeworfen, er fördere den Alkoholismus und gebe hier kein moralisches Vorbild ab.

Wenn Jesus Segen für das Brautpaar gespendet hätte, ewige Liebe trotz trockener Kehlen, hätte es diese Kritik nicht gegeben, aber die Geschichte wäre auch total langweilig und die Hochzeitsfeier wäre zu Ende.

Umgekehrt wird gesagt, das Weinwunder Jesu sei ein Ausdruck für die Liebe Gottes zum Leben. Unter den Bildern vom Reich Gottes sprechen nicht wenige von einem Fest, auch und gerade von einem Hochzeitsfest. Jesus könnte dann deutlich gemacht haben, dass es ihm darum geht, dass das Leben auch das Fest umfassen soll, die fröhliche Gemeinschaft. Das gehört dazu! Und ich höre nach fast 2 Jahren Covid-19 meine eigene Sehnsucht danach, endlich wieder mit anderen Menschen entspannt zusammen zu sein und auch endlich wieder Abendmahl im Gottesdienst zu feiern, das Symbol der Gemeinschaft.  Ich weiß, es geht derzeit weiter um Verantwortung für uns und füreinander! Aber zwei Passagen dieser Geschichte sind wichtig zu hören.

Zum einen ist da die Szene, in der Maria ihren Sohn auf den ausgegangenen Wein hinweist und sich eine harsche Abfuhr einfängt. Was willst du von mir? Meine Zeit ist noch nicht gekommen. Im Johannesevangelium ist Jesu Zeit im Garten Gethsemane und am darauf-  folgenden Tag gekommen, die Zeit der Verhaftung und Hinrichtung, aber bei Johannes auch die Zeit der „Erhöhung“ und der Rückkehr Jesu zu seinem Vater. Aber obwohl Jesu Auftrag offensichtlich nicht vor allem in der Auffüllung der Weinbestände lag, tut er es hier doch zeichenhaft und  macht darin deutlich, es geht Jesus immer um das ganze Leben mit Krisen und Höhepunkte, mit Leiden und Freude. „Alles hat seine Zeit!“ so drückt es das Buch Kohelet („Prediger“) im 3. Kapitel aus. [Es lohnt sich, mal nachzulesen!]

Zum Zweiten: Die Reaktion des Festmeisters: »Jeder andere schenkt zuerst den guten Wein aus. Und wenn die Gäste dann angetrunken sind, folgt der weniger gute. Du hast den guten Wein bis jetzt zurückgehalten.« Mit anderen Worten: Das Beste kommt noch!

Sich daran immer wieder zu erinnern, dass Leben mehr ist als Überleben und Zurückhaltung und Vorsicht, die ja nicht falsch sind, nicht zur alleinigen Lebensgrundlage werden dürfen, weil sonst Wesentliches fehlt.

Wir hatten am Sonntag in Süderbrarup einen Abendgottesdienst, der mit Musik und Texten und farbigem Licht gestaltet wurde, das den Innenraum der Kirche veränderte und Atmosphäre geschaffen hat. Nicht nur mir ging es so, es tat mir gut! Andere schilderten das ähnlich. Für mich eine Erinnerung, die Vorsicht, die ja manchmal bis zur Angst vor anderen Menschen geht, nicht zu einseitig zu pflegen, sondern Formen von Gemeinschaft zu entwickeln und zu pflegen, in denen Menschen ohne erhöhtes Risiko miteinander Schönes erleben können. Denn das muss auch klar sein: Wir bleiben für uns und füreinander verantwortlich und unser Wunsch nach Gemeinschaft darf nicht auf Kosten der anderen Menschen ausgelebt werden, also nicht so wie in der abschließenden Geschichte, in der es auch um ein Hochzeitsfest und die Verwandlung von Getränken geht, allerdings etwas anders als bei der Hochzeit zu Kana!

Da sollte irgendwo in Indien oder China ein großes Fest stattfinden. Ein Hochzeitsfest. Aber das Brautpaar war sehr arm. Darum hatten sie auf die Einladungskärtchen geschrieben, jeder solle bitte eine Flasche Reiswein mitbringen und am Eingang in ein großes Fass schütten. So sollten alle zu einem frohen Fest beitragen.

Als alle versammelt waren, schöpften die Serviererinnen aus dem Fass. Und wie sie zum Wohl des jungen Brautpaares anstießen und tranken, da versteinerten alle Gesichter: Denn jeder hatte nur Wasser im Glas.

Jetzt bereute wohl jeder seine Überlegung: “Ach, die eine Flasche Wasser, die ich hineingieße, wird niemand merken!” Aber leider hatten alle so gedacht. Alle wollten auf Kosten der anderen mitfeiern. Und so konnte das große, schöne Fest nicht stattfinden!

Ich wünsche Ihnen und Euch „coronaverträgliche“ Gelegenheiten des Feierns

Ihr/Euer Pastor Schnoor