Liebe Leserinnen und Leser

Was bedeutet eigentlich „Heilung“ für Sie und Euch? Ist am vergangenen Sonntag nämlich Thema gewesen und ist es mit dem Wochenspruch aus Jeremia 17, 14: „Heile mich, Gott, so werde ich heil; hilf mir, so ist mir geholfen.“ auch für diese Woche!

Also, was ist Heilung? Einfach das Wegmachen aller gerade bei mir auftretenden Krankheitssymptome? Das wären bei mir gerade die Symptome einer klassischen Erkältung und seit heute das „positive“ Ergebnis eines PCR-Tests für Corona. Ich bin also eine Zeit in Quarantäne. Wenn ich aber nicht mehr erkältet und außerdem wieder „negativ“ bin, bin ich dann „heil“? Nicht so ganz, ich habe dann immer noch meine Adipositas (was sich netter anhört als „Fettleibigkeit“) und einen damit einher gehenden zu hohen Zuckerspiegel (Diabetes mellitus Typ2), bewege mich zu wenig und habe nach 20 Uhr einige Ernährungsgewohnheiten, die für meine eben benannten Probleme hauptverantwortlich sind! Ich bin seit Jahren dabei, das zu ändern, phasenweise mit Erfolg, aber immer wieder mit Rückschlägen. Aber selbst wenn ich es wirklich schaffen würde, mein Gewicht stark und dauerhaft zu reduzieren, mich gesunder zu ernähren und mehr zu bewegen, wäre ich dann heil? Ach, da wären noch meine genetischen Defekte wie etwa der Mangel an Pigmenten in meiner Haut, so dass ich nur blass oder rot, aber niemals braun bin. Also muss ich mich immer gut schützen und darf nicht zu viel in die Sonne! Tja und dann habe ich die 60 bereits überschritten, d.h. es werden in den nächsten Jahren irgendwann zunehmend Verschleißerscheinungen und sich im Alter vermehrt einstellende sonstige Probleme einstellen.  …

Mit anderen Worten: Das, was die WHO in ihrer Definition für „Gesundheit“ sagt: “Gesundheit ist ein Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlergehens und nicht nur das Fehlen von Krankheit oder Gebrechen.” das hat schon ziemlich viel mit „Heil“ zu tun und ist für einen Menschen als ein Lebewesen mit begrenzter Lebenszeit, individuellen Defiziten und evtl. auch sozialen Einschränkungen bestenfalls phasenweise aber nicht als Dauerzustand möglich!

Was die Definition aber deutlich macht, Gesundheit und Heil sind mehr als nur ein einigermaßen funktionierender Körper ohne größere Einschränkungen. Zumindest „Heil“ hat immer auch damit zu tun, dass meine Beziehungen zu mir, zu meiner Mitwelt und auch zu Gott/Lebenssinn/Lebensgrund usw. in der Weise harmonisch sind, dass ich nicht nur um mich selbst kreise, in mich selbst verkrümmt bin, sondern offen bin für Beziehung und mein Leben bejahe. Die Alternative dazu lautet meist in irgendeiner Weise: Mein Leben ist schlecht, weil …! Oder: Mein Leben wäre erst gut, wenn …! Denn dann bin ich so mit dem beschäftigt, was mich am Leben fehlt, dass ich nicht zum Leben komme. Das kann übrigens auch die Einstellung zur Arbeit oder allen anderen Facetten des Lebens sein („Später“ habe ich dann Zeit für …! Jetzt allerdings nehme ich sie mir nicht, und wer weiß, ob es dieses „später“ tatsächlich gibt oder nicht nur ein „zu spät“, aus welchen Gründen auch immer!)

Heile mich, Gott, so werde ich heil; hilf mir, so ist mir geholfen.“ Dass Menschen aus diesen Selbstverkrümmungen herausfinden, in denen sie ihr Leben verpassen, davon erzählen u.a. auch die Heilungsgeschichten der Bibel. Da geht es nicht in erster Linie um die Heilung von Symptomen, sondern darum, dass ein Mensch wieder „heil“ wird. Der Predigttext vom vergangenen Sonntag aus Markus 2 macht das an einigen Stellen deutlich.

Ein paar Tage später kam Jesus nach Kapernaum zurück. Es sprach sich herum, dass er wieder zu Hause war.

2 Daraufhin strömten so viele Menschen herbei, dass der Platz nicht ausreichte – nicht einmal draußen vor der Tür. Jesus verkündete ihnen das Wort Gottes.

3 Da brachten Leute einen Gelähmten zu Jesus. Er wurde von vier Männern getragen.

4 Aber wegen der Volksmenge konnten sie nicht bis zu ihm vordringen. Deshalb öffneten sie das Dach genau über der Stelle, wo Jesus war. Sie machten ein Loch hinein und ließen den Gelähmten auf seiner Matte herunter.

5 Jesus sah, wie groß ihr Glaube war, und sagte zu dem Gelähmten: »Mein Kind, deine Sünden sind dir vergeben.«

6 Es saßen aber auch einige Schriftgelehrte dabei. Die dachten:

7 »Wie kann er so etwas sagen? Das ist Gotteslästerung! Nur Gott allein kann Sünden vergeben.«

8 Doch Jesus wusste sofort, was sie dachten. Er sagte zu ihnen: »Warum habt ihr solche Gedanken?

9 Was ist einfacher? Dem Gelähmten zu sagen: ›Deine Sünden sind dir vergeben‹, oder: ›Steh auf, nimm deine Matte und geh umher‹?

10 Aber ihr sollt sehen, dass der Menschensohn von Gott Vollmacht bekommen hat. So kann er hier auf der Erde den Menschen ihre Sünden vergeben.« Deshalb sagte er zu dem Gelähmten:

11 »Ich sage dir: Steh auf, nimm deine Matte und geh nach Hause.«

12 Da stand der Mann auf, nahm rasch seine Matte und ging weg – vor ihren Augen. Sie gerieten außer sich, lobten Gott und sagten: »So etwas haben wir noch nie erlebt.«

Achtet doch einmal auf folgende Punkte (und dann lest die Geschichte noch einmal langsam und schaut, ob sich etwas verändert hat, gegenüber dem ersten Lesen.)

  • Jesus sieht die Motivation der vier Freunde („Glaube“), die sich nicht aufhalten lassen und darauf reagiert er. Manchmal brauchen wir die Kraft und den „Glauben“ der Anderen, weil wir allein aus unserer Situation nicht herauskommen, nicht zum Ziel kommen!
  • Jesus irritiert alle, als er von Sündenvergebung spricht, statt einfach den Heiler zu geben! „Sünde“ meint aber „getrennt sein“, von mir, den Anderen und dem Leben/Gott. Und genau das lähmt einen Menschen (mangelndes Selbstbewusstsein, Depression, Verzweiflung …). Jesus weist also darauf hin, dass zur Heilung mehr gehört als die Wiederherstellung der körperlichen Bewegungsfähigkeit. Alles, was körperliches, geistiges und soziales Wohlergehen gelähmt hat, muss beseitigt („Sünden vergeben“) werden.
  • Wenn der bisher Gelähmte den Gegenstand nach Hause trägt, der ihn bisher getragen hat, dann wird daran bildlich deutlich. Hier ist ein Leben wieder ins Lot gekommen, heil geworden.

Also noch einmal zum Schluss: Was ist Heilung? Hat sich für Sie und Euch etwas verändert zu vorher? Hoffentlich! Denn was immer Heilung auch sonst ist, es ist immer ein Prozess!

Und so wünsche ich Ihnen und Euch mit Erkältung, mit Corona und meinen sonstigen am Anfang erwähnten Macken und Wehwehchen heilsame Erfahrungen!

Ihr/Euer Pastor Schnoor