Liebe Leserinnen und Leser
Ostern, ein langes Wochenende mit sechs Gottesdiensten bei mir. Und wissen Sie was? Ich finde das gut so, weil diese Gottesdienste mich jedes Jahr einen Weg gehen lassen, den ich ohne sie wahrscheinlich nicht gehen würde. So ist Ostern für mich nicht nur ein langes Wochenende, sondern auch ein besonderes Wochenende das am Gründonnerstag mit den spannungsreichen Themen „Abendmahl“ als Symbol von Gemeinschaft, Gethsemane als Ausdruck von Verlassenheit und Kampf und der Verhaftung beginnt und dann mit dem Gegensatz zwischen Petrus, der Jesus verleugnet und Jesus, der sich und seinem Vater treu bleibt noch ein spannungsreiches Thema obendrauf setzt.
Und dann Karfreitag mit dem Predigtgottesdienst am Morgen, in dem alle Jahre wieder die alten grundsätzlichen Fragen von Leid und Tod und Gott und Leben zwischen damals und heute angesprochen werden und dann 15 Uhr der sehr liturgische Gottesdienst zur „Sterbestunde Christi“. Die Frage des Todes und dieses Todes Jesu. Das auszuhalten, ohne gleich wieder zu Ostern zu springen, weil man ja weiß, wie es weiter geht!
Der Tag, der es mir immer wieder am schwersten macht, ist der Karsamstag, weil ich es sehr selten schaffe, diese bleiern schwere Zwischenzeit wirklich zu leben. Ich habe meist zu viel zu tun und überspringe diese Stunden, statt mich ihnen bewusst zu stellen, den Stunden, die mir deutlich machen, dass ich an dieser Stelle nichts mehr tun kann, auf mich zurückgeworfen bin und das einfach nur aushalten muss.
Und dann mein Lieblingsgottesdienst im ganzen Jahr, der Osterfrühgottesdienst „von der Dunkelheit zum Licht“, in dem es ganz langsam, Stück für Stück Ostern wird, ich dem Licht Vertrauen schenke und mich vom Dunkel lösen kann, wenigstens jetzt. Ein musikalischer Gottesdienst mit Chor, setzt für mich dann noch einen oben drauf. Und wenn am Ostermontag das Wochenende dann mit einem „Osterspaziergang“ ausklingt, dann kann es wieder weiter gehen, so wie damals bei den Emmaus-Jüngern, die einen ähnlichen Weg, zwar ohne meine sechs Gottesdienste aber irgendwie dann doch gegangen sind. Eine meiner liebsten Ostergeschichten (Lukas 24, 13-35)
Und siehe, zwei von ihnen gingen an demselben Tage in ein Dorf, das war von Jerusalem etwa zwei Wegstunden entfernt; dessen Name ist Emmaus. Und sie redeten miteinander von allen diesen Geschichten.
Und es geschah, als sie so redeten und sich miteinander besprachen, da nahte sich Jesus selbst und ging mit ihnen. Aber ihre Augen wurden gehalten, dass sie ihn nicht erkannten. Er sprach aber zu ihnen: Was sind das für Dinge, die ihr miteinander verhandelt unterwegs? Da blieben sie traurig stehen.
Und der eine, mit Namen Kleopas, antwortete und sprach zu ihm: Bist du der einzige unter den Fremden in Jerusalem, der nicht weiß, was in diesen Tagen dort geschehen ist?
Und er sprach zu ihnen: Was denn? Sie aber sprachen zu ihm: Das mit Jesus von Nazareth, der ein Prophet war, mächtig in Taten und Worten vor Gott und allem Volk; wie ihn unsre Hohenpriester und Oberen zur Todesstrafe überantwortet und gekreuzigt haben. Wir aber hofften, er sei es, der Israel erlösen werde. Und über das alles ist heute der dritte Tag, dass dies geschehen ist. Auch haben uns erschreckt einige Frauen aus unserer Mitte, die sind früh bei dem Grab gewesen, haben seinen Leib nicht gefunden, kommen und sagen, sie haben eine Erscheinung von Engeln gesehen, die sagen, er lebe. Und einige von uns gingen hin zum Grab und fanden’s so, wie die Frauen sagten; aber ihn sahen sie nicht.
Und er sprach zu ihnen: O ihr Toren, zu trägen Herzens, all dem zu glauben, was die Propheten geredet haben! Musste nicht Christus dies erleiden und in seine Herrlichkeit eingehen? Und er fing an bei Mose und allen Propheten und legte ihnen aus, was in der ganzen Schrift von ihm gesagt war.
Und sie kamen nahe an das Dorf, wo sie hingingen. Und er stellte sich, als wollte er weitergehen. Und sie nötigten ihn und sprachen: Bleibe bei uns; denn es will Abend werden, und der Tag hat sich geneigt. Und er ging hinein, bei ihnen zu bleiben.
Und es geschah, als er mit ihnen zu Tisch saß, nahm er das Brot, dankte, brach’s und gab’s ihnen. Da wurden ihre Augen geöffnet, und sie erkannten ihn. Und er verschwand vor ihnen. Und sie sprachen untereinander: Brannte nicht unser Herz in uns, als er mit uns redete auf dem Wege und uns die Schrift öffnete?
Und sie standen auf zu derselben Stunde, kehrten zurück nach Jerusalem und fanden die Elf versammelt und die bei ihnen waren; die sprachen: Der Herr ist wahrhaftig auferstanden und Simon erschienen. Und sie erzählten ihnen, was auf dem Wege geschehen war und wie er von ihnen erkannt wurde, als er das Brot brach.
Die beiden Jünger sind in einem Trauerprozess. Derjenige, in den sie ihre Hoffnungen gesetzt hatten (Wir aber hofften, er sei es, der Israel erlösen werde.) war erbärmlich gescheitert und hingerichtet worden. Sie tun das, was Trauernde sonst auch oft tun, sie reden, erzählen sich ihre Gedanken. Das kann guttun, aber man kann manchmal sich dabei auch im Kreis drehen und aus den Warum-Fragen gar nicht herauskommen. Manchmal braucht es die Impulse von außen, um gedanklich und überhaupt weiterzukommen, im kirchlichen Bereich nennen wir es Seelsorge. Genau so ein Prozess von Seelsorge, von innerer Klärung, von Deutungsangeboten, läuft hier bei den Emmaus-Jüngern ab, als sich der Fremde zu ihnen gesellt. Er lässt sich die Geschichten erzählen, er gibt die Deutungshinweise aus dem, was wir Altes Testament nennen, also aus den Heiligen Schriften der beiden Jünger, die ja Juden waren. Damit wird der Tod Jesu aus der alleinigen Fixierung auf das Scheitern genommen und in einen Zusammenhang von Sinn gestellt.
Und dann erreichen sie Emmaus und laden den Fremden ein. Und erkennen ihn an der Art des Brotbrechens, aber haben ihn genau in dem Moment nicht mehr verfügbar (er verschwand). Und auch erst dann wird ihnen bewusst, wie sie der Weg und das Gespräch innerlich verändert haben (Brannte nicht unser Herz in uns, als er mit uns redete auf dem Wege und uns die Schrift öffnete?)
Und dann „standen sie auf“, kehren zurück, um die Erfahrung zu teilen und bekommen deren Erfahrung mitgeteilt. Ostern und „Auferstehung“ haben in dieser Geschichte (und den meisten anderen genauso) ihr eigentliches Zentrum darin, dass Menschen aus der Trauer und dem Abschied wieder ins Leben gebracht werden und Zukunft erfahren („das, was Jesus gesagt und getan hat wurde von Gott bestätigt und hat weiter Gültigkeit!“).
Warum erzähle ich Ihnen und Euch das? Weil Auferstehung immer ein ganz eigener Weg ist, auf dem einen der „Auferstandene“ manchmal als sehr Fremder begegnet und es dauert, bis die alten Sichtweisen zum Leben verändert werden. Eine gesegnete Osterzeit!
Ihr/Euer Pastor Schnoor