Liebe Leserinnen und Leser

Bevor die Eindrücke meines Urlaubs in diesem Sommer schon wieder ganz unter den Ansprüchen der Gegenwart verschwunden sind, möchte ich das, was ich davon für mitteilsam halte, Ihnen und Euch weitergeben. Wer also keine Lust auf „Gedanken über den Urlaub“ hat, der oder die möge jetzt lieber aufhören zu lesen!

In diesem Jahr sagten mir manche Menschen Ende Juli, ich sähe „urlaubsreif“ aus und genau dieses Gefühl hatte ich auch, mehr als in früheren Jahren. Aus Brarupmarkt und einem schönen Zeltgottesdienst ging es zunächst nach Wismar. Nettes Hotel, sehr schöne Stadt, die wir noch nicht kannten. Eigentlich hatte ich gedacht, Stadt ansehen und dann Touren im Umland, aber das Auto blieb die ganze Zeit auf dem Hotelparkplatz, und wir gingen zu Fuß durch die Stadt, schauten uns so manches an, gingen in ein wunderbares Konzert in der nahegelegenen Kirche und in verschiedenen Gaststätten essen, besuchten das Stadtmuseum und dann noch am abschließenden Sonntag den Gottesdienst. Dann fuhren wir weiter, besuchten das wunderbare Münster in Bad Doberan und übernachteten in einem nahe gelegenen Gutshaus, das Zimmer vermietete. Weiter ging es nach Potsdam, Besuch des Parks von Schloss Sanssouci und der Altstadt (zu Fuß), der russischen Kolonie „Aleksandrowka“ aus dem Beginn des 19. Jahrhunderts mit Häusern im Stil russischer Holzhäuser. Danach eine Stadtrundfahrt und ein Besuch von Schloss Cecilienhof, wo 1945 die „Potsdamer Konferenz“ stattfand. Nur knapp 2 Tage Zeit, aber sehr schön, es machte Lust auf mehr. Weiter 2 Tage Leipzig in einem Apartmenthotel, in dem wir schon oft waren. Besuch der Musikalischen Andacht in der Nicolaikirche (etwas anders, als wir erwartet hatten, aber das hat ja manchmal auch etwas!) am nächsten Tag Stadtrundfahrt mit einigen Ecken von Leipzig, in die wir während der Studienzeit von Rebekka nicht gekommen waren, Besuch des neuen Projekts im Panometer über „9/11“, also den Anschlag auf die Twin Towers 2001 in New York, der den „Krieg gegen den Terror“ auslöste. Ein riesiges Rundpanorama mit der Situation direkt vor dem Einschlag der Flugzeuge. Das Spannendste fand ich, dass der Ort, von dem man als Betrachter auf diese Fotolandschaft schaute, der Friedhof einer Kirche war! Aber auch die Ausstellung, die zu jedem dieser Fotoprojekte gehört, war wieder fantastisch. Den Abend verbrachten wir dann ganz anders in einem Kabarett, eine Person Stand-up-Comedy, ein Alternativprogramm, aber auch gut. Dann weiter nach Naumburg, wo wir das Wochenende verbrachten mit Besuch bei meiner Schwägerin in Zöthen, das gerade seine 750-Jahr-Feier beging. Wir waren dabei, unternahmen mit Corinnas Schwester dann noch einiges am Sonntag, nachdem wir morgens einen spannenden Gottesdienst erlebten, in dem eine jüdische Theologin die Predigt hielt, hatten bereits am Freitag die Weinbestände für Saale-Unstrut-Weine wieder aufgestockt und fuhren am Montag weiter nach Hannover, wo wieder eine Stadtrundfahrt, ein Besuch der Herrenhäuser Gärten und des „Sea-Life“-Aquariums auf dem Programm standen. Am Donnerstag, den 17. August waren wir nachmittags zurück in Süderbrarup und bereiteten noch ein Fest vor, dass am Samstag dann nicht im Pastoratsgarten, sondern „wegen Wetter“ im Gemeindezentrum stattfand. Sehr schön und ein wunderbarer Abschluss dieses Urlaubs, der für mich im Nachhinein ein sehr gutes Beispiel für das ist, was mir am Anfang dieser Woche auf der Suche nach einer Geschichte in die Hände gefallen ist

Das höchste Lebensglück (von Paul Scheerbart, in: Dörte Fuchs, Jutta Orth (Hgg.), Glück ist gar nicht mal so selten, Vlg. Ernst Kaufmann, Lahr 2014, 96)

Dieser Text brachte mich erst dazu, in dieser Andacht von meinem/unserem Urlaub zu erzählen und Sie und Euch dabei hoffentlich nicht zu langweilen! Aber jetzt erst einmal der Text von Paul Scheerbart:

Und dann darf man nie vergessen, dass man einen andauernden Glückszustand nicht in sich erzeugen kann. Man muss immer im Auge behalten, dass der einzelne Genuss nicht allzu lange genießbar ist —man darf sich daher nicht bloß einer besondren Gat­tung von Genüssen zuwenden — man muss alle — al­le — alle Genüsse durchkosten wollen—immer wieder andre — immer wieder neue feine vergeistigte Gefüh­le — aus dem trockenen Brot muss man ebensoviel Genusserreger rausziehen können — wie aus der ra­sendsten tollsten glühendsten Liebesleidenschaft. Das höchste Lebensglück besteht in dem Leben, das da aufweisen kann: die größte Zahl von glücklichen Augenblicken — die man nicht verlängern soll — die man auch nicht verlängern kann — die man nur zu­weilen durch Erinnerungen und lustige Verse ver­schärfen darf. Verlieben darf man sich nicht in die einzelnen Genüsse — kleben bleiben darf man nicht an den einzelnen Augenblicken. Man muss ohne Schmerz weiterspringen — wenn die eine Wiese ein bisschen abgegrast ist. Nur nicht traurig werden! Mit geballten Fäusten oder anders will ich unermüd­lich danach streben, die größte Zahl fein verzückter Augenblicke zu durchkosten. Ich will der glück­lichste Mensch sein. Nichts soll mir zu klein und nichts zu groß sein. Genießen will ich — genießen!”

Genießen hat im kirchlichen Kontext ja oft keinen so guten Ruf gehabt, aber wenn ich es mit „intensiv leben“ wiedergebe, dann passt es vielleicht auch bei uns ganz gut.

Verschiedenes intensiv leben zu können, weil mir Zeit dafür geschenkt ist, sechs Städte/Orte besuchen können, kulturelle Angebote wahrnehmen, kulinarische Vielfalt erfahren und auch ganz unterschiedliches Wetter und wirklich Zeit zu haben für meine Frau, das war dieser Urlaub, und es bleiben eine Reihe von Erfahrungen, die ich gerne auch in den Alltag einbauen möchte, um sie auch für andere Menschen fruchtbar werden zu lassen – und natürlich auch für mich.

Ihnen/Euch fehlt der biblische Bezug? Was haltet Ihr von den verschiedenen Hinweisen, dass sich Jesus zurückgezogen hat, um allein das Gebet mit Gott zu suchen? Eine Unterbrechung, ein zeitweiser Rückzug, um neu Kraft für das Leben mit den Menschen zu bekommen. Etwa Matthäus 14,23 nach der Speisung von 5000 Menschen, wo es dann heißt: Als die Volksmenge dann weggegangen war, stieg Jesus auf einen Berg, um in der Einsamkeit zu beten. Es war schon Abend geworden, und Jesus war noch immer allein dort.“

Ich wünsche manches zum „Genießen“ oder auch „intensiv Leben“!

Ihr/Euer Pastor Schnoor