Liebe Leserinnen und Leser

Am Sonntag war Halbzeit der Passionszeit. Der Sonntag „Laetare“ (= Freut euch!) ist in der Tradition so etwas wie ein kleines Osterfest auf halbem Wege. Es gibt Kirchengemeinden, in denen man das sogar sehen kann, denn sie haben ausschließlich für diesen Sonntag einen Altarbehang in rosa. Es geht zwar noch um das Passionsthema, aber es wird auch schon ein Blick auf Ostern gewagt, wie es auch der Wochenspruch aussagt: Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und erstirbt, bleibt es allein. Wenn es aber erstirbt, bringt es viel Frucht (Joh. 12,24)

Sterben nicht einfach als Ende, sondern als Beginn von etwas Neuem, am Bild des Weizenkorns. Denn alles, was das Weizenkorn ausmachte, ist durch das Säen und Wachsen zur Verwandlung in etwas Neues verbraucht worden. Aus dem Korn wird eine neue Pflanze, die wieder Körner produziert – und das Leben geht weiter!

Es ist ein schönes Bild, das schon im Neuen Testament im 1. Korintherbrief des Paulus im 15. Kapitel dann auch verwendet wird, als Paulus ein Bild für das sucht, was als „Auferstehung der Toten“ bezeichnet wird und von dem wir immer nur in Bildern sprechen können. Es bleibt eine Beziehung und ein Zusammenhalt zwischen alt und neu, aber es findet immer auch eine Verwandlung statt, so wie das Samenkorn alles in sich hat, was die neue Pflanze braucht, um zu entstehen. Aber bei diesem Prozess der Verwandlung bleibt trotzdem nichts von dem Samenkorn wie es war. Es hat ganz am Prozess der Verwandlung teil.

Ich weiß ja nicht, wie es Ihnen und Euch geht, ich hatte – und habe z.T. noch immer – meine Schwierigkeiten mit manchen der alten Passionslieder, in denen sehr viel vom Blut Christi die Rede ist, das vergossen wird. Ich weiß, diese Lieder entstammen einer Zeit, in der diese Sprache vielleicht sogar als tröstlich jedenfalls nicht als störend empfunden wurde. Ich gehöre einer anderen Zeit an und bin froh über so manche moderne Passionslieder mit einer anderen Sprache und zurückhaltenden Bildern, wie etwa das Lied Korn, das in die Erde (Gesangbuch Nr. 98), das unseren Wochenspruch: Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und erstirbt, bleibt es allein. Wenn es aber erstirbt, bringt es viel Frucht (Joh. 12,24) aufnimmt und weiter bedenkt.

1. Korn, das in die Erde, in den Tod versinkt, Keim, der aus dem Acker in den Morgen dringt – Liebe lebt auf, die längst erstorben schien: Liebe wächst wie Weizen und ihr Halm ist grün.

Das Motiv vom Samen wird aufgenommen und in Begriffen des Sterbens eingeführt, dann aber gleich weitergeführt auf den Morgen der Auferstehung, das Neue, das ans Licht drängt aus der Dunkelheit der Erde. Und dann wird das Bild gleich durchbrochen für das, was hier eigentlich gemeint ist, das Geschick Jesu als Ausdruck der Liebe Gottes zu seiner Welt und seinen Menschen, ohne dass Jesus hier schon namentlich erwähnt wäre „Liebe lebt auf, die längst erstorben schien…“ Und dann werden im Refrain die Liebe und das Bild vom Weizen noch einmal verbunden  „Liebe wächst wie Weizen“ und auf die Dimension der Hoffnung bezogen, die ja bekanntlich grün ist, genau wie der Halm von Liebe und Weizen!

2. Über Gottes Liebe brach die Welt den Stab, wälzte ihren Felsen vor der Liebe Grab. Jesus ist tot. Wie sollte er noch fliehn? Liebe wächst wie Weizen und ihr Halm ist grün.

In dieser zweiten Strophe wird die Passionsgeschichte Jesu extrem konzentriert: „Über Gottes Liebe brach die Welt den Stab“. Auf diese Liebe wollte sich die Welt nicht einlassen, sondern lieber weiter ihren eigenen Gesetzen von Durchsetzung und Stärke und Ellenbogen und „Hauptsache ich“ folgen. Sie wollte Jesu Stimme zum Schweigen bringen und seine Sache mit ihm zusammen beerdigen. Endgültig, wie sie meinte, und das Ergebnis wird noch einmal extra betont: „Jesus ist tot, wie sollte er noch fliehn?“

Ist es nicht erschreckend, dass diese Methode auch 2000 Jahre später immer noch in Mode ist, Menschen mundtot oder ganz tot machen zu wollen, weil sie einem nicht ins Konzept passen, weil sie die eigenen Vorstellungen infrage stellen und die eigenen Lebensentwürfe auch. Und auch mit der Kenntnis über Ostern sollten wir vorsichtig sein, die Frage „Wie sollte er noch fliehn?“ als rhetorische Frage auf die leichte Schulter zu nehmen. Wie gesagt, die Methode wird bis heute angewandt! Und dann klingt der Refrain an, ganz leise und leicht wie ich an dieser Stelle finde. Liebe wächst wie Weizen und ihr Halm ist grün.

3. Im Gestein verloren Gottes Samenkorn, unser Herz gefangen in Gestrüpp und Dorn -hin ging die Nacht, der dritte Tag erschien: Liebe wächst wie Weizen und ihr Halm ist grün.

Das Geschick Jesu ist mehr als ein einzelnes Schicksal vor 2000 Jahren. Das macht die dritte Strophe deutlich, wo ein anderes Bild aus der Landwirtschaft angedeutet wird, das Jesus im Gleichnis vom Sämann und dem viererlei Boden, auf den die Saat fällt, erzählt, wobei zuerst drei Orte genannt werden, auf denen der Samen nicht aufgehen und wachsen kann, die hier mit Gestein, Gestrüpp und Dornen angesprochen werden. Symbole der Vergeblichkeit, der Dunkelheit, des Todes. Und dann vergeht die Nacht doch und etwas Neues beginnt, der 3. Tag, biblisches Symbol für Auferstehung, für Neubeginn, wieder ganz zart angedeutet: „Wer Ohren hat zu hören, der höre!“

Und noch einmal der Refrain: Liebe wächst wie Weizen und ihr Halm ist grün.

Und die Frage – damals bei Jesus – und heute immer noch, egal ob bei Corona oder anderen Bedrohungen des Lebens – Glaubst Du das, hoffst du das? Dass die Liebe wie Weizen wächst und am Ende immer siegt, egal, wie oft man sie auch schon beerdigen wollte unter den Felsen von Gleichgültigkeit, Angst, Rücksichtslosigkeit und wie die Felsen alle heißen!

Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und erstirbt, bleibt es allein. Wenn es aber erstirbt, bringt es viel Frucht.

Bleibt behütet und haltet – trotz Abstand – Nähe und Gemeinschaft!

Ihr /Euer Pastor Schnoor