Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur; das Alte ist vergangen, siehe Neues ist geworden. (2. Korinther 5,17) so lautet der Wochenspruch für diese Woche, die auf den Sonntag „Jubilate“ (=Freut euch!) folgt.
Ein Neubeginn, Altes ist vorbei. Blicke ich auf unsere Zeit, so fällt mir sehnsuchtsvoll so manches ein. Ach wenn diese Pandemie doch endlich vorbei wäre und man wieder „normal“ leben könnte!!! Ach nein, das ist ja gar kein Neuanfang, da will ich ja nur wieder zurück zur „guten alten Normalität“, die aber gar nicht in allem so gut gewesen ist. Wie könnte ein wirklicher Neuanfang schon in und nach der Pandemie aussehen? Vielleicht ein wenig wie in der folgenden kleinen Geschichte, die ich bestimmt schon einmal erzählt habe, aber ganz wunderbar finde, um zu verstehen, was es heißen könnte: Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur; das Alte ist vergangen, siehe Neues ist geworden. Also, ein kleine und wunderbare jüdische Geschichte!
Das Leben ist herrlich!
Zu einem alten Rabbi kam ein Mann und klagte: “Rabbi, mein Leben ist nicht mehr erträglich. Wir wohnen zu sechst in einem einzigen Raum. Was soll ich nur machen?”
Der Rabbi antwortete: “Nimm deinen Ziegenbock mit ins Zimmer.”
Der Mann glaubte nicht recht gehört zu haben. “Den Ziegenbock mit ins Zimmer?”
“Tu, was ich dir gesagt habe”, entgegnete der Rabbi, “und komm nach einer Woche wieder.”
Nach einer Woche kam der Mann wieder, total am Ende. “Wir können es nicht mehr aushalten, der Bock stinkt fürchterlich!”
Der Rabbi sagte zu ihm: “Geh nach Hause und stell den Bock wieder in den Stall. Dann komm nach einer Woche wieder.”
Die Woche verging. Als der Mann zurückkam, strahlte er über das ganze Gesicht: “Das Leben ist herrlich, Rabbi. Wir genießen jede Minute. Kein Ziegenbock – nur wir sechs.”
Es ist eine Kontrasterfahrung, die der Mann in unserer Geschichte bekommt. Man merkt erst, wie gut es ist, wenn der Bock wieder im Stall steht. Und man erfährt erst wirklich, wie es ist, „in Christus“ zu sein, sich und das Leben aus dem Blickwinkel göttlicher Liebe zu sehen, wenn man die Konsequenzen seiner „alten Existenz“ wirklich einmal gespürt hat. Denn diese alte Existenz orientiert sich am Leistungsdenken! Und dazu gehört ja nicht immer nur Erfolg, sondern auch das Scheitern! Wer bin ich, wenn ich nichts mehr leisten kann? Ein Verlierer (= alte Existenz), der sich selbst verachtet oder das Scheitern verstecken muss? oder ein geliebtes Kind Gottes (= Sein in Christus) auch wenn mal alles gründlich schief gelaufen ist? Wenn ich mindestens einmal die Erfahrung gemacht habe, dass ich vor Gott auch noch dann unendlich wertvoll bin, wenn ich nichts leisten kann und das für mich annehme, dann verändert das mein Leben, weil es meinen Blick auf das Leben verändert.
Aber glaubt mir, es bleibt trotzdem schwierig, diese „neue Kreatur“, diese Neuschöpfung im Alltag durchzuhalten, denn wir sind Gewohnheitstiere! Auch dazu noch einmal eine wahrscheinlich bekannte kleine Geschichte:
Ein Mann sitzt im Bummelzug. Bei jeder Station steckt er den Kopf zum Fenster hinaus, liest den Ortsnamen und stöhnt. Nach vier oder fünf Stationen fragt ihn besorgt sein Gegenüber: “Tut Ihnen etwas weh? Sie stöhnen so entsetzlich.” Da antwortete er: “Eigentlich müsste ich aussteigen. Ich fahre in die falsche Richtung. Aber hier ist es so schön warm drin.”
So bequem ist es mit der Neuschöpfung nämlich nicht, denn sie gilt ja nicht nur mir, sondern auch allen Anderen, ja der ganzen Schöpfung. „In Christus“ sind wir alle miteinander verbunden, und ich kann eigentlich nie sagen: Du gehst mich nichts an! Ich schaffe das keineswegs immer, die neue Kreatur zu sein. Es bleibt ein Übungsprogramm, jeden Tag aufs Neue. Und es ist gut, dass ich bei diesem Programm – auch in Corona-Zeiten – nicht allein bin, denn gemeinsam übt es sich besser.
Wichtig, so meine Erfahrung, sind allerdings mindestens diese zwei Bedingungen:
1.) Freut Euch, wenn Ihr Fortschritte macht, aber verfallt nicht wieder ins Leistungsprinzip („Als Christ*in musst du!!!) Übt den liebevollen Blick und das entsprechende Verhalten dem und der Anderen gegenüber, um Euch immer weiter zu entwickeln zur neuen Kreatur!
2. ) Vergesst dabei bitte nicht, diesen liebevollen Blick auch auf Euch selbst zu üben, denn Ihr seid alle einmalig. Wenn ihr das bei euch erkennt, hilft es, das auch bei den Anderen zu sehen. Und dazu noch eine dritte und letzte Geschichte:
Der Wollknäuel (Max Bollinger)
In einem Nähkorb lag ein runder roter Wollknäuel. Der runde Wollknäuel langweilte sich. “Ich möchte mich verwandeln”, sagte er. Aber niemand kümmerte sich um ihn. Da machte er sich auf und rollte davon. Im Garten begegnete er einer Katze. “Ich möchte mich verwandeln”, sagte er. Da packte ihn die Katze mit ihren Krallen und spielte mit ihm. “Ich bin keine Maus”, rief der Wollknäuel und machte sich schnell davon.
Unter einem Baum begegnete er einem Vogel. “Ich möchte mich verwandeln”, sagte er. Da packte ihn der Vogel mit seinem Schnabel und zerzauste ihn. “Ich bin kein Vogelnest”, rief der Wollknäuel und machte sich schnell davon. Auf der Wiese begegnete er einer Kuh. “Ich möchte mich verwandeln”, sagte er. Da griff ihn die Kuh mit ihrer Zunge und wollte ihn fressen. “Ich bin kein Gras”, rief der Wollknäuel und machte sich schnell davon.
Auf dem Spielplatz begegnete er einem Jungen. “Ich möchte mich verwandeln”, sagte er. Da band ihn der Junge an seinen Drachen und rollte ihn auf. “Ich bin keine Schnur”, rief der Wollknäuel, riss sich los und machte sich schnell davon. Da lag er nun und wusste nicht, was aus ihm werden sollte. Zum Glück kam ein kleines Mädchen, und als es den runden roten Wollknäuel entdeckte, sagte es: “Oh, dich kann ich brauchen!”
Es nahm ihn mit nach Hause, holte zwei Stricknadeln und – verwandelte ihn. Am Weihnachtsabend lag er als schöner, roter, viereckiger Topflappen auf Tante Ernas Gabentisch.
Habt eine gesegnete Zeit, und spannende Erlebnisse als „Neuschöpfung“!
Ihr /Euer Pastor Schnoor