Liebe Leserinnen und Leser

Was vermissen Sie, vermisst Ihr am Meisten seit dem Lockdown? Und in dieser Pandemiezeit? Ich bin sicher, jede und jeder kann da eine ganze Reihe nennen, von dem, was er oder sie besonders vermisst.

Bei mir sind es Dinge wie Shoppingtouren mit meinen Töchtern, Besuche bei Freunden ohne Masken, einfach spontan Essengehen, natürlich Urlaubsreisen, aber auch Gottesdienste, bei denen mir die Menschen nicht maskiert gegenübersitzen und in denen gesungen werden darf, und das Abendmahl gefeiert werden kann ohne irgendwelche Abstandsregeln, die Gemeinschaft weitgehend unmöglich machen. Und natürlich möchte ich endlich wieder mit den Anderen im Gospelchor singen!

Wenn Sie, wenn Ihr genau gelesen habt, taucht das Singen zwei Mal in meiner persönlichen Liste dessen, was ich vermisse auf. Der Verlust des gemeinsamen Singens hat in den letzten Monaten meiner körperlichen Fitness geschadet, ich bin kurzatmiger geworden – auch ohne „positiv“ gewesen zu sein. Aber der Verlust gemeinsamen Singens hat mir auch seelisch zugesetzt, und ich habe gemerkt, ich laufe Gefahr, auch alleine für mich weniger zu singen und Musik nur zu konsumieren.

Da passt es natürlich, dass am vergangenen Sonntag „Kantate“ war, also der Sonntag mit dem Thema „Singen“. Am Ende gingen wir nach draußen und sangen ein Lied gemeinsam mit Maske und gingen dann unter dem Segen. Und das gemeinsame Singen in der Kirche ohne Maske miteinander – egal ob schön und laut oder knapp am Ton vorbei oder leise – das fehlte mir trotzdem besonders an diesem Sonntag.

Aber ich habe auch gemerkt; es ist gut, wenn mir bewusst wird, was mir fehlt, denn dann fange ich an, Sehnsucht danach bewusst zu spüren, und ich kann diese Sehnsucht vor Gott bringen, um Hoffnung und Kraft zu finden, bis die Zeit kommt. Denn wir werden wieder gemeinsam ohne Masken singen als Gemeinde, die das singend und betend vor Gott bringt, was sie freut und traurig macht und wofür sie dankt und lobt und bittet.

Und jeder und jede, die mir sagen: Das kannst du doch auch alles Zuhause allein tun, den kann ich nur antworten: Ihr habt lange nicht mit Anderen zusammen gesungen, oder?! Denn gemeinsames Singen ist eine so starke Weise, Gemeinschaft zu erleben, eben nicht als Einzelperson da zu sein, sondern aktiv zu etwas zu gehören, das größer ist als man selbst.

Das ist so bei Chören. Es schweißt ungeheuer zusammen, wenn man merkt: Wir haben dieses Stück als ein Klangkörper gesungen, alle Einzelstimmen passten zusammen! Und manchmal hört es sich auch ganz anders an – und der Weg ist noch weit! Aber es lohnt sich trotzdem! Und da ist der Gemeindegesang als ganz niederschwellige Möglichkeit zum Singen. Gemeindegesang ist nicht als Konzert gedacht, nicht als Aufführung und Genuss zum Zuhören. Sondern es verbindet die Musikalischen mit den Brummern, die sauber singen mit denen, die keinen Ton treffen oder immer den gleichen singen. Aber sie alle sind Teil einer singenden Gemeinschaft. Und beim Sport ist es genauso. Da sind die Gesänge der Fußball- oder Handballfans, meist nicht viel Text, man kann leicht einsteigen als Neuer. Und seit mehreren Monaten kennt man bei Heimspielen den Unterschied zwischen „Geisterspielen“ und solchen mit Zuschauern – und warum bei denen mit Publikum eine ganz andere Atmosphäre herrscht als bei denen ohne Publikum!

Der Gesang in der Sportarena, im Konzertsaal und in der Kirche bewirkt Verbindung als singende Gruppe. Aber es gibt natürlich auch viele Menschen, die sich nicht trauen zu singen, weil man ihnen in der Jugend oder auch noch später gesagt hat, sie seien unmusikalisch. Und andere Menschen stört es, dass das „neue Lied“, von dem im Wochenspruch geredet wird: „Singt dem HERRN ein neues Lied, denn er tut Wunder!“

In der Kirche nur sehr wenig Platz hat und dort meist „alte Lieder“ gesungen werden. Stimmt insoweit, dass hier nicht die musikalischen Strömungen begegnen, die man sonst in den Medien hört, aber Musik hat im Gottesdienst auch eine andere Aufgabe als bei DSDS, Sing meinen Song, The Voice of Germany (erwachsen oder Kids) usw.

Es geht nicht darum, sich stimmgewaltig selbst zu feiern oder sich als der oder die großartige Sänger/in in Szene zu setzen und Menschen zu begeistern, sondern in der Musik die ganze Spannbreite unserer Gefühle vor Gott zu bringen, in der musikalischen Qualität, zu der wir nun einmal fähig sind – alleine oder gemeinsam!

Singen ist Gebet, bei dem die Musik uns hilft, alles, was in uns steckt und manchmal schlummert, vor Gott zu bringen.

Ganz wunderbar hat das ein Lied auf den Punkt gebracht „Ich sing dir mein Lied“. Und es ist so schade, dass ich es jetzt nicht zusammen mit Ihnen und Euch singen kann, denn es hat einen so wunderbar beschwingten südamerikanischen Rhythmus, dass es wirklich Spaß macht zu singen. Aber hier wenigstens der Text:

(Ich sing dir mein Lied)

1. Ich sing dir mein Lied — in ihm klingt mein Leben. / Die Töne, den Klang hast du mir gegeben / von Wachsen und Werden, von Himmel und Erde, / du Quelle des Lebens. Dir sing ich mein Lied.

2. Ich sing dir mein Lied — in ihm klingt mein Leben. / Den Rhyth­mus, den Schwung hast du mir gegeben / von deiner Geschichte, in die du uns mitnimmst, / du Hüter des Lebens. Dir sing ich mein Lied.

3. Ich sing dir mein Lied — in ihm klingt mein Leben. / Die Tonart, den Takt hast du mir gegeben / von Nähe, die heil macht, wir kön­nen dich finden, / du Wunder des Lebens. Dir sing ich mein Lied.

4. Ich sing dir mein Lied — in ihm klingt mein Leben. / Die Höhen und Tiefen hast du mir gegeben. / Du hältst uns zusammen trotz Streit und Verletzung, / du Freundin des Lebens. Dir sing ich mein Lied.

5. Ich sing dir mein Lied — in ihm klingt mein Leben. / Die Töne, den Klang hast du mir gegeben / von Zeichen der Hoffnung auf steinigen Wegen, / du Zukunft des Lebens. Dir sing ich mein Lied.

Habt eine gesegnete Zeit und eine Melodie in Euch, die Euch Schwung gibt

Euer Pastor Schnoor