Jürgen Suberg, Portal St. Sebastian Magdeburg (Ausschnitt

Liebe Leserinnen und Leser

Vor ein paar Jahren hat eine Kommission die Predigttexte überarbeitet, weil man fand, die Auswahl sei nicht mehr zeitgemäß, bestimmte Teile der Bibel seien zu stark vertreten und andere Teile zu wenig. Gerade im Bereich des ersten Teils unserer Bibel, den wir „Altes Testament“ zu nennen gewohnt sind, fehlte bisher so manches.

Und so sind durch diese Reform einige Texte zu Predigttexten geworden, die viele bisher kaum kannten, aber auch einige, die vielen Menschen schon seit Kindertagen vertraut sind – und die man als Erwachsener dann doch noch wieder ganz anders hören kann.

Am letzten Sonntag waren die ersten beiden Kapitel aus der kleinen Geschichte von JONA an der Reihe. Eigentlich vielen seit Kindertagen vertraut, vor allem die Sache mit dem Wal/großen Fisch, der Jona verschluckt und so letztlich rettet.

Es geht um einen Auftrag, den Jona von Gott bekommt und mit dem er sich extrem schwer tut. Ich weiß nicht, wie es Ihnen und Euch so geht – ich würde manchmal ganz gerne wissen, was Gott nun eigentlich konkret von mir will, was meine Aufgabe jetzt und hier ist. Denn die Ansprüche sind ja unterschiedlich. Ich hätte etwa in den Anfangsmonaten der Pandemie gerne gewusst, ob ich Besuche bei sehr alten und kranken Menschen machen sollte mit dem Risiko andere Menschen anzustecken. Ich habe das eine Zeit lang nicht getan! Und bis heute bin ich zurückhaltend, was Besuche angeht. War das klug? – wahrscheinlich! War das richtig? – Ich weiß es nicht!

Manchmal wäre es einfacher, wenn Gott mir einen ganz klar umrissenen Auftrag geben würde, und mit dem Monatsspruch für diesen Juni kombiniert: „Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen!“ (Apostelgeschichte 5,29) wüsste ich genau, was ich zu tun hätte! Das wäre doch schön, oder?

Die Jona-Geschichte hat mir da deutlich gemacht, dass es so einfach nicht ist. Und wenn ich mir Geschichten des Propheten Jeremia vor Augen halte, dann wird mir deutlich: Sei vorsichtig mit dem, was Du Dir wünscht, denn es könnte in Erfüllung gehen! Was, wenn der klare Auftrag Gottes das genaue Gegenteil von dem ist, was ich selbst will? Dann muss ich entweder meine eigenen Wünsche beiseitelegen oder das tun, was Jona tut, mich auf die Flucht vor Gott begeben.

Jona soll nach Ninive und den Bewohnern den Untergang der Stadt androhen, denn Ninive war das Symbol für menschliche Abgründe von Gier, Hass und Lieblosigkeit und könnte heute viele andere Namen tragen. Damit soll also Schluss sein, dass Menschen in so grober Weise gegen Gottes Willen handeln.

Jona hätte nach Osten gehen müssen, aber er besteigt ein Schiff, dass ihn in den äußersten Westen der damals bekannten Welt bringen soll. Er tut also das genaue Gegenteil von dem, was Gott ihm gesagt hat. Es gibt also Gründe, warum Jona, Gottes Auftrag lieber nicht ausführen möchte. Die würde es bei mir wahrscheinlich auch geben! Jona ist eigentlich nicht besser als die Leute von Ninive, die er so verachtet. Und wie wäre das bei mir?  Ungemütlicher Gedanke! Lieber wieder zur Jona-Geschichte!

Jona ist an Bord des Schiffes, das ihn von Gott wegbringen soll. Aber natürlich ist das kein realistischer Gedanke. Nähme ich Flügel der Morgenröte und bliebe am äußersten Meer, so würde auch dort deine Hand mich führen und deine Rechte mich halten. (Psalm 139,9+10). Die Geschichte berichtet, dass Gott einen großen Sturm schickt. Die heidnischen Seeleute beten alle zu ihren Göttern und rudern, so gut es geht – Jona liegt im Schiff und schläft! Schließlich wird er geweckt, es wird das Los geworfen, um herauszufinden, wer für die Situation verantwortlich ist. Jona gesteht, dass er auf der Flucht vor seinem Gott sei und macht durch sein Bekenntnis selbst deutlich, wie bizarr dieser Versuch eigentlich ist, wenn er sagt: „Ich bin ein Hebräer. Ich verehre den HERRN, den Gott des Himmels. Er hat das Meer und das Festland geschaffen.“ (Jona 1,9) In der Theorie weiß Jona also genau: Was ich da versuche, kann nicht funktionieren! Und ich frage mich, ob ich mich vielleicht auch manchmal oder häufiger in solchen Widersprüchen befinde.

Jona sagt den Seeleuten, sie sollten ihn ins Meer werfen. Sie versuchen alles Menschenmögliche, um das zu vermeiden, schließlich müssen sie es doch tun! Jona geht über Bord. Der Sturm hört auf, das Schiff ist gerettet – und Jona wird von jenem „großen Fisch“ verschluckt, erlebt eine Erfahrung nahe am Tod und in völliger Hilflosigkeit. In dieser Situation kommt die Veränderung. Jona, der bisher nur fliehen wollte, wendet sich in einem Psalm an Gott! – „Not lehrt Beten!“ Die Krise geht vorüber, das Leben kann wieder neu beginnen – kommt mir jetzt gerade irgendwie bekannt vor! – und Jona geht nach Ninive. Begeistert ist er allerdings immer noch nicht!

Das völlig Überraschende geschieht, Jona predigt, die Bevölkerung bereut ihr bisheriges Tun und will Gott gnädig stimmen in den Formen, wie man halt im Alten Orient wütende Götter gnädig stimmt. Heute sind die Verhaltensweisen z.T. noch ähnlich aber meist noch durch großzügige Geldzahlungen für soziale Projekte unterfüttert.

Und Jona? Jona setzt sich außerhalb der Stadt unter einen Busch, der ihm Schatten spendet und wartet auf den Untergang der Stadt. Die 40 Tage gehen vorbei – und nichts geschieht! Und Jona ist wütend und beschwert sich bei Gott, der sich erweichen lässt und ihn, Jona, nun als falschen Propheten dastehen lässt.  Und dann kommt der für mich schönste Teil der ganzen Geschichte, voll von feinem Humor. Gott lässt einen Wurm kommen, der den Busch, unter dem Jona im Schatten sitzt, annagt und eingehen lässt. Und Jona ist so böse darüber und so traurig und untröstlich. Und dann kommen die letzten beiden Verse des Jona-Buchs:

Da sagte der Herr: „Die Rizinus-Pflanze tut dir leid. Doch du hast keine Mühe mit ihr gehabt und sie auch nicht großgezogen. Sie wuchs über Nacht und verdarb über Nacht. Und jetzt frage ich dich: Sollte Ninive mir nicht leidtun – eine große Stadt mit mehr als 120000 Menschen? Sie alle wissen nicht, was links und was rechts ist. Dazu kommen noch die vielen Tiere. Sollte es mir da nicht leidtun?!

Und ich bin froh, dass ich keinen eindeutigen Befehl von Gott habe, aber eine Ahnung nach dieser Geschichte, was für ein Verhalten sich Gott grundsätzlich von mir wünschen könnte! Und ich bin froh, dass auch schwere Zeit und Katastrophen und eigene innere Widerstände von Gott genutzt werden können, um mich auf richtige Wege zu bringen und das eigentlich Ziel zu sein scheint, dass ich begreifen lerne, dass dieser Wille Gottes gut ist, auch wenn er mir anfangs nicht gefiel. Und ich finde es wunderbar, wenn die Jona-Geschichte mit dieser Frage an die Leser und damit auch mich endet! Aber leset diese kleine Geschichte doch einmal selbst in der Bibel nach!

Habt eine gesegnete Zeit, erfüllte Tage und überraschende Entdeckungen!

Ihr/Euer Pastor Schnoor