Liebe Leserinnen und Leser

Das vergangene Wochenende war bei mir inhaltlich geprägt durch Taufe und Konfirmation. Zwei Gartenkonfirmationen, eine Haustaufe zweier Kinder, und dann war das Thema des Sonntags auch noch Taufe.

Ich vermute mal, die allermeisten von Ihnen und Euch sind getauft, meist als Säugling oder Kleinkind, d.h. in einem Alter, an das man sich gar nicht mehr oder nur nebulös erinnert. Was bedeutet Ihnen, was bedeutet Euch eigentlich die Taufe, an die man sich vielleicht gar nicht mehr erinnert? Ich bin im Alter von 4 Monaten getauft worden, am Weihnachtsfest (also nach Heiligabend!). Das weiß ich allerdings auch nur aus meiner Taufurkunde. Ich erinnere mich selbst an nichts.

Lange Zeit hat es für mich auch keine wirkliche Bedeutung gehabt, dass ich getauft worden bin. Daran hat nicht einmal mein Konfirmandenunterricht damals sehr viel geändert, auch wenn wir die Taufe nach dem Kleinen Katechismus Luthers durchnahmen und alles auswendig zu lernen hatten. Ein erster Ansatzpunkt war bei mir die Geschichte, dass Martin Luther immer, wenn er verzweifelt war oder seine depressiven Schübe hatte, auf den Satz schaute: „Ich bin getauft!“ Ich habe dabei verstanden, dass die Taufe ein Zuspruch Gottes ist: Du bist geliebtes Geschöpf! „Ich habe dich bei deinem Namen gerufen, Du gehörst zu mir!“ Das ist passiert und gilt, es kann von mir niemals aufgehoben werden, egal, was ich denke, sage oder tue. Gott hat gesagt: Ich liebe dich! Und mein Leben ist Tag für Tag aufs Neue die Frage, welche Antwort ich mit meinem Leben darauf gebe! Taufe bedeutet: All mein Tun und Lassen, mein Denken und Reden schafft mir vor Gott keinen Wert, denn vor Gott habe ich meinen Wert dadurch, dass ich existiere, inklusive der Frage: „Und, Frank, was willst du denn nun aus diesem Leben machen?“ Da ich leider für mich nicht den großen Masterplan für Jahrzehnte entdeckt habe, versuche ich, die Frage von Tag zu Tag zu beantworten – und manchmal kommen auch etwas langfristigere Ideen und Pläne dabei heraus. Und manches geht und manches geht auch nicht so, und ich lerne mein Leben lang, was es wirklich heißt: „Ich bin getauft!“

Und dann habe ich im Studium, vor allem aber dann als Pastor gemerkt, dass Taufe noch mehr ist als der Zuspruch Gottes für mich. Ich habe andere Menschen getauft, den Zuspruch an sie weitergegeben. Meist waren diese Menschen noch ziemlich klein und ihre Eltern wünschten die Taufe für sie, manchmal waren es Konfirmand*innen oder auch Erwachsene, mit denen ich vorher Gespräche geführt habe, was das bedeutet, sich taufen zu lassen, Christ oder Christin zu sein.

Dabei spielte der Text eine wichtige Rolle, der am Sonntag Predigttext war, der Abschluss des Matthäus-Evangeliums (Matthäus 28,16-20) (Übersetzung der Basisbibel).

Die elf Jünger gingen nach Galiläa. Sie stiegen auf den Berg, wohin Jesus sie bestellt hatte. Als sie Jesus sahen, fielen sie vor ihm nieder. Aber einige hatten auch Zweifel. Jesus kam zu ihnen und sagte: »Gott hat mir alle Macht gegeben, im Himmel und auf der Erde.

Geht nun hin zu allen Völkern und ladet die Menschen ein, meine Jünger und Jüngerinnen zu werden. Tauft sie im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes! Und lehrt sie, alles zu tun, was ich euch geboten habe! Seid gewiss: Ich bin immer bei euch, jeden Tag, bis zum Ende der Welt.«

Dieser Abschnitt trägt in den Bibeln verschiedene Überschriften: „Taufbefehl“ oder „Missionsbefehl“. Diese Verse sind der eine Grund, warum wir als Evangelische Kirche taufen, der andere Grund liegt darin, dass die Christen es seit den Anfängen von Kirche getan haben, als Zeichen, einen alten Weg zu beenden, der das ersehnte Leben nicht gebracht hat, um in Zukunft dem Weg Jesu zu folgen. Taufe hatte also von Anfang an sehr viel mit Mission zu tun.

„Mission“ allerdings hat bei vielen Menschen in Europa einen schlechten Ruf. Es werden dann immer die üblichen geschichtlichen Beispiele genannt: gewaltsame Missionierung der Sachsen, Kreuzzüge, europäischer Kolonialismus der Europäer außerhalb Europas usw. Alles Beispiele, in denen der Glaube mit den Machinteressen verbunden und diesen untergeordnet wurde. Diese Art von Mission braucht der christliche Glaube allerdings nicht und auch nicht eine Mission, in der mit dem Evangelium auch die ganze kulturelle Vorstellungswelt Europas und Nordamerikas mittransportiert wird.

Aber das dürfte doch wohl alles nicht gemeint sein, wenn der auferstandene Christus zu einer kleinen Gruppe von Schülern sagt: Geht in alle Welt. Und selbst 200 Jahre später war das Christentum noch eine relativ kleine und öfter verfolgte Gruppe. Aber es war auch eine Gruppe, die ihren Glauben lebte und von der mindestens einige bereit waren, für diesen Glauben zu leiden oder gar sterben. Es war eine Gruppe, die für alle Gruppen der Gesellschaft vom Sklaven bis zum Senator offen war, und eine Gruppe, die sich um sozial Benachteiligte kümmerte. Und durch dieses praktische Beispiel ihres Glaubens wirkte sie anziehend auf viele Menschen. Ich denke, das war und das ist bis heute die Art von „Mission“, die Jesus gemeint hat. Den eigenen Glauben im Alltag vorleben, für andere Menschen da sein und wenn dann die Frage kommt: Warum machst du das eigentlich? Die Antwort darauf geben, was mich da antreibt.

Natürlich ist es gut, wenn die Kirchen Werbung machen, aber entscheidend ist es, wie der Glaube im Alltag gelebt wird. Wie es bei der Taufe auch ist: Jeder neue Tag ist die Anfrage, wie ich die erfahrene Liebe Gottes beantworten will! Und es ist wie immer im Leben: Leben will immer heute gelebt und für morgen geübt werden – oder mit einer kleinen Geschichte, die ich ab und zu gerne bei Taufen erzählt habe:

In der Nähe eines alten Bauernhauses lag ein alter Brunnen. Sein Wasser war ungewöhnlich kalt und rein und köstlich zu trinken. Aber das Besondere war: er trocknete nie aus. Selbst bei der größten sommerlichen Dürre, wenn schon überall das kostbare Nass rationiert wurde, gab er getreu sein kühles, klares Wasser.

Dann kam die Zeit, in der alles modernisiert wurde. Das Haus wurde umgebaut; es wurde auch eine Wasserleitung gelegt. Den alten Brunnen brauchte man nicht mehr. Er wurde verschlossen und versiegelt. So blieb es mehrere Jahre.

Eines Tages wollte ein Hausbewohner aus Neugierde noch einmal in die dunkle und feuchte Tiefe des Brunnens sehen. Er deckte den Brunnen ab und wunderte sich: Der Brunnen war total ausgetrocknet. Der Mann wollte herausbekommen, wie das geschehen konnte. Aber es dauerte lange, bis er den Grund wusste: Ein solcher Brunnen wird von Hunderten winziger Bäche gespeist, die unter der Erde für den ständigen Wasservorrat sorgen. Die winzigen Öffnungen der vielen Bächlein bleiben nur dann rein und offen, wenn immer wieder Wasser abgeschöpft wird. Wird ein solcher Brunnen aber nicht mehr benutzt, dann versiegen die Bäche.

Eine gesegnete, erfrischende Zeit für Euch und alle, denen Ihr begegnet!

Ihr/Euer Pastor Schnoor