Liebe Leserinnen und Leser

Vielen Menschen ist der Feiertag in dieser Woche weitgehend oder ganz unbekannt. Es ist kein arbeitsfreier Tag, sonst würde man daran denken – und lange Zeit galt das Thema modernen, aufgeklärten Menschen als mittelalterlich-rückständig.

Der Feiertag ist der 29. September, also Mittwoch dieser Woche, und sein Name lautet „MICHAELIS“ bzw. Feiertag des Erzengel Michael und aller Engel!

Engel haben in den letzten Jahren wieder Konjunktur, und das nicht nur zu Weihnachten. Da gibt es Engelseminare aller Art, viel Literatur verschiedener Richtungen, mehr oder minder künstlerisch wertvolle Darstellungen und Skulpturen. Um 1900 waren sehr kitschige Darstellungen von Schutzengeln sehr in Mode, die auf Kinder in Gefahren aufpassten. Die Bilder hingen meist in den Kinderzimmern, als Beruhigung. Aber auch noch heute ist Psalm 91,11 „Denn er (=Gott) hat seinen Engeln befohlen, dass sie dich behüten auf allen deinen Wegen.“ einer der beliebtesten Tauf- und Konfirmationssprüchen.

In der Kunst und der religiösen Vorstellung sind Engel ja meist geflügelte himmlische Wesen. Der Begriff „Engel“ kommt aber aus dem Griechischen („Angelos“) und bedeutet Bote. Engel sind Boten Gottes und in den meisten biblischen Geschichten, in denen sie auftreten, ist von Flügeln nicht die Rede. In Jakobs Traum von der Himmelsleiter, ist von „Hinauf- und Hinabsteigen“ die Rede, geflügelte Wesen bräuchten keine Leiter! Israel wird die geflügelten Himmelswesen bei benachbarten Völkern kennengelernt und mit der Idee eines himmlischen Hofstaats in die eigenen Vorstellungen eingebaut haben, so etwa in der Szene der Berufung Jesajas zum Propheten in Jesaja 6 oder natürlich in Lukas 2 die himmlischen Heerscharen über den Hirtenfeldern von Bethlehem, die die Geburt des Messias verkünden und alle Jahre wieder am Heiligen Abend ihren großen Auftritt haben.

Aber eigentlich sind Engel in der Bibel nur Boten Gottes, die an wesentlichen Stellen den Menschen eine Botschaft zu überbringen haben, sie begleiten durch schwere, entscheidende Phasen des Lebens, ihnen helfen, Entscheidungen zu fällen. Es sind alles Geschehnisse, die die Bibel an anderer Stelle von Gott selbst aussagt oder, die Gott Propheten in den Mund legt.

Man könnte vielleicht sagen, Engel sind die „kleine Münze Gottes“, Gottes Gegenwart, aber eben im Leben eines/r Einzelnen. Vielleicht ist es in Zeiten wie diesen einfacher, von Engeln zu reden, weil Gott uns zu weit weg erscheint, und wir diese symbolische „Zwischeninstanz“ brauchen für unseren Alltag. Jeder Engel ist ein Stück Gegenwart Gottes!

Die Engelgeschichte, die Albert Schweitzer zugeschrieben wird, entspricht unserer heutigen Lebensweise und Vorstellung ganz gut – na ja, vielleicht bis auf den Schluss!

Es war einmal ein kleiner Heiliger, der hatte viele Jahre ein glückliches und zufriedenes Leben geführt. Als er eines Tages gerade in der Klosterküche beim Geschirrabwaschen war, kam ein Engel zu ihm und sprach: “Der Herr schickt mich zu dir und lässt dir sagen, dass es an der Zeit für dich sei, in die Ewigkeit einzugehen.”

“Ich danke dem Herrgott, dass er sich meiner erinnert”, erwiderte der kleine Heilige. “Aber du siehst ja, was für ein Berg Geschirr hier noch abzuwaschen ist. Ich möchte nicht undankbar erscheinen, aber lässt sich das mit der Ewigkeit nicht noch so lange hinausschieben, bis ich hier fertig bin?”

Der Engel blickte ihn nach Engels Art weise und huldvoll an, sprach: “Ich werde sehen, was sich tun lässt”, und verschwand. Der kleine Heilige wandte sich wieder seinem Geschirrberg zu und danach auch noch allen möglichen anderen Dingen. Eines Tages machte er sich gerade mit einer Hacke im Garten zu schaffen, da erschien auf einmal wieder der Engel. Der Heilige wies mit der Hacke gartenauf und gartenab und sagte: “Sieh dir das Unkraut hier an! Kann die Ewigkeit nicht noch ein bisschen warten?” Der Engel lächelte und verschwand abermals.

Der Heilige jätete den Garten fertig, dann strich er die Scheune. So werkte er fort und fort, und die Zeit ging dahin. Eines Tages pflegte er im Hospital die Kranken. Er hatte eben einem fiebernden Patienten einen Schluck kühlen Wassers eingeflößt, da sah er, als er aufblickte, wieder den Engel vor sich.

Dieses Mal breitete der Heilige nur mitleidheischend die Arme aus und lenkte mit den Augen des Engels Blicke von einem Krankenbett zum anderen. Der Engel verschwand ohne ein Wort.

Als der kleine Heilige sich an diesem Abend in seine Klosterzelle zurückzog und auf sein hartes Lager sank, sann er über den Engel nach und über die lange Zeit, die er ihn nun schon hingehalten hatte. Mit einem Mal fühlte er sich schrecklich alt und müde, und er sprach: “0 Herr, könntest du deinen Engel doch jetzt noch einmal schicken, er wäre mir sehr willkommen.”

Kaum hatte er geendet, stand der Engel schon da… “Wenn du mich noch nimmst”, sagte der Heilige, “so bin ich nun bereit, in die Ewigkeit einzugehen!”

Der Engel blickte den Heiligen nach Engel Art weise und huldvoll an und sprach: “Was glaubst du wohl, wo du die ganze Zeit gewesen bist?”

Engel sind Boten Gottes. Und richtigerweise sagt das bekannte Gedicht von Rudolf  Otto Wiemer:

Es müssen nicht Männer mit Flügeln sein, die Engel.
Sie gehen leise, sie müssen nicht schrein,
oft sind sie alt und hässlich und klein, die Engel.

Sie haben kein Schwert, kein weißes Gewand, die Engel.
Vielleicht ist einer, der gibt dir die Hand,
oder er wohnt neben dir, Wand an Wand, der Engel.

Dem Hungernden hat er das Brot gebracht, der Engel.
Dem Kranken hat er das Bett gemacht,
und hört, wenn du ihn rufst, in der Nacht, der Engel.

Er steht im Weg und er sagt: Nein, der Engel.
Groß wie ein Pfahl und hart wie ein Stein –
Es müssen nicht Männer mit Flügeln sein, die Engel.

Ach ja, zum Ende noch ein Tipp aus dem Bereich Musik: „Ein Engel“ von der a capella Gruppe „wise guys“, da kommen die verschiedenen Aspekte noch mal zusammen!

Ich wünsche Ihnen und Euch ein schönes Michaelis und interessante Begegnungen mit Engeln aller Art – nicht nur zur Weihnachtszeit!

Ihr/Euer Pastor Schnoor