Liebe Leserinnen und Leser,

„Seht auf und erhebt eure Häupter, weil sich eure Erlösung naht.“ (Lukas 21,28) So heißt es im Wochenspruch für diese Woche. Wie geht es Ihnen und Euch mit diesem Vers? Im biblischen Zusammenhang steht er für das Kommen des Reiches Gottes, für den Jüngsten Tag und das Ende dieser Welt. Die Menschen haben Angst, sind in Panik – und die Christen sollen nach oben schauen, weil das Ende dieser Welt bedeutet, dass Gott endlich ganz da sein wird und aus den Umbrüchen etwas Neues und Gutes entsteht – und Christus kommt, um das letzte Wort zu haben.

Ihnen sind solche Gedanken fremd geworden? Mir auch! Es sind Bilder einer anderen Zeit mit anderen Vorstellungen. Das heißt aber nicht, dass mir diese Worte nichts mehr zu sagen hätten! Ich nehme sie als Bilder, die etwas Grundsätzliches deutlich machen, gerade auch in dieser Zeit der 4. Welle der Corona-Pandemie!

Ich erlebe in dieser Pandemie einiges von dem, was um den Wochenspruch herum in der Bibel steht. Katastrophen, die die ganze Erde, ja den Kosmos umstürzen und Panik auslösen. Bei uns folgt, kaum dass Delta sich ausgebreitet hat bereits Omikron als neue Mutation des Virus und neue Horrorszenarien werden aufgebaut. Und die Angst wird geschürt: Von der einen Seite vor dem Virus, von der anderen Seite vor den Impfungen!

Worauf schauen wir eigentlich?

Wir können uns auf die Bedrohungen fixieren, nach unten schauen, auf das, was als Nächstes zu befürchten ist. Oder wir schauen auf das Ende! Irgendwann wird diese Pandemie zu Ende sein, und wir werden gelernt haben, mit dem Virus zu leben, jedenfalls viele oder gar die meisten. Bis dahin wird wahrscheinlich noch einiges an Krisen kommen. Schauen wir auf, erheben wir die Köpfe, vertrauen Gott, dass es am Ende gut werden wird, und verhalten uns vorsichtig und verantwortlich unseren Mitmenschen gegenüber, ohne dabei panisch zu werden, oder lassen wir uns von jeder neuen Paniknachricht neu verängstigen und schauen nur noch auf die Risiken?

„Seht auf und erhebt eure Häupter, weil sich eure Erlösung naht.“

Zwei Geschichten von dem, was das bedeuten könnte! Auch aus einer anderen Zeit mit anderen Bildern und wohl doch auch für uns verständlich!

Ein berühmtes Kloster war in große Schwierigkeiten geraten. Waren die vielen Gebäude früher voller Mönche gewesen, schleppte sich jetzt nur eine Handvoll alter Mönche durch die Kreuzgänge und pries Gott mit schwerem Herzen.

In der Nähe hatte ein alter Rabbi eine kleine Hütte gebaut, um von Zeit zu Zeit dort zu fasten und zu beten. Solange er dort weilte, fühlten sich die Mönche von seiner betenden Gegenwart mitgetragen.

Eines Tages suchte der Abt des Klosters den Rabbi auf. In der Tür umarmten sie sich herzlich und schauten einander lächelnd an. Sie setzten sich an einen Tisch, auf dem die Heilige Schrift geöffnet lag. Sie saßen nicht lange, da bedeckte der Abt sein Gesicht mit den Händen und weinte – weinte wie ein verlassenes Kind.

„Du und deine Brüder“, begann der Rabbi, „ihr dient dem Herrn nur mit schwerem Herzen. Ich will dir eine Weisung geben, die du aber nur einmal wiederholen darfst. Danach darf niemand sie je wieder aussprechen.“ Der Rabbi schwieg eine Weile. Dann sagte er: „Die Weisung lautet: Der Messias ist unter euch!“

Am nächsten Morgen rief der Abt seine Mönche zusammen und erzählte ihnen von seiner Begegnung mit dem Rabbi und auch davon, dass dessen Weisung nie wieder laut ausgesprochen werden dürfe. Dann schaute er die Brüder der Reihe nach an und sagte: „Die Weisung lautet: In einem von uns ist der Messias!“

Die Mönche reagierten bestürzt: Wer ist es? Bruder Johannes oder Pater Markus? Oder Bruder Thomas?

Seitdem gingen die Mönche ganz anders miteinander um: ehrlicher; herzlicher; freundlicher; ehrfürchtiger. Sie lebten jetzt zusammen wie Menschen, die endlich etwas gefunden haben. Die gelegentlichen Besucher zeigten sich betroffen und angesprochen von diesem Geist, der jetzt von den Mönchen ausging.

Und es dauerte nicht lange, da kamen die Menschen von nah und fern, und auch die Chorstühle füllten sich wieder.

Die Veränderung der Perspektive verändert viel, u.a. die Ausstrahlung, die ich auf andere Menschen habe. Und so kann sich Gutes ausbreiten. Ohne Zwang, ohne Druck, ohne Strafmaßnahmen – wenn auch vielleicht nicht immer in der Geschwindigkeit, die ich gerne hätte! Aber dafür nachhaltiger und mit weniger Grabenkämpfen!

Die zweite Geschichte erzählt eine individuelle Notlage, aber spricht auch von der Bedeutung, die eine intensive Vertrauensbeziehung hat.

Ein kleiner  Junge fällt beim Spielen in einen tiefen Schacht, der noch keine sechzig Zentimeter breit ist. Verwirrung, Panik, Menschen, die hin- und herrennen. Geschrei, Rufen, dass dies getan werden müsse oder dies und dann wieder das. Männer kommen mit Leitern, Schaufeln und Stricken. Sie horchen in den Schacht, ob das Kind noch lebt. Einer will einen Bagger holen, um direkt neben dem Schacht einen neuen Schacht zu graben. Das sei die einzige Möglichkeit, das Kind noch zu retten, sagt er.

Die einzigen, die bei all diesem Geschrei und Gerenne ruhig bleiben, sind die Eltern des Jungen. Als sie zum Schacht kommen, wird es still. Jeder sieht, wie der Vater sich über die Öffnung beugt. Im selben Augenblick ertönt aus dem Schacht ein herzzerreißendes Geschrei: Sein Sohn lebt also noch, aber weil der Vater sich über den Schacht beugt, wird es dunkel im Loch, so dass der Junge noch mehr in Angst und Panik gerät.

Da sagt der Vater: “Keine Angst. Wenn es dunkel wird, bin ich es!” Das Geschrei verstummt, und ganz ruhig gibt der Vater seinem Sohn Anweisungen, was er zu tun und zu lassen habe. Er lässt ein langes Seil hinunter, erklärt seinem Sohn, wie er es unter seinen Achseln befestigen soll und beginnt dann behutsam zu ziehen. Wenig später ist der Junge gerettet! Keinen Augenblick Angst hat er mehr gehabt, auch nicht, wenn es noch einmal dunkel wurde im Schacht. Jedes Mal, wenn das passierte, dachte er an das, was sein Vater gesagt hatte: Wenn es dunkel wird, bin ich es.

Und ich sehe nach oben – und es wird dunkel – und ich glaube, dass du es bist!

Der Spruch: am Ende wird alles gut. Und wenn noch nicht alles gut ist, dann ist es noch nicht das Ende! Ist zwar ziemlich platt, aber vielleicht stimmt er im Blick auf Gott doch?!

Euch eine Woche mit gutem Ausblick! Bleibt behütet!

Hinweis!

Aus Vorsichtsgründen wird die Adventsfeier am Dienstag 14.12. in Süderbrarup nicht stattfinden! Wir hoffen, dass wir uns 2022 dann wieder treffen können – irgendwann!

Ihr/Euer Pastor Schnoor