Liebe Leserinnen und Leser
Nachdem ich 2 Woche wegen Weihnachten und „zwischen den Jahren“ Pause mit den Wochenandachten gemacht habe, geht es nun wieder los und ich wünsche Ihnen und Euch ein gesegnetes Neues Jahr mit der Jahreslosung, die uns durch das Jahr 2022 begleiten soll. Sie steht Johannes 6,37 und lautet: Christus spricht: „Wer zu mir kommt, den werde ich nicht abweisen.“
Wunderbar diese Jahreslosung, aber ich habe den Verdacht, diese Botschaft muss mit all dem, was so im Leben geschieht in Verbindung gebracht werden, um wirklich lebendig zu sein, und ich merke, ich bin nach einer Kombination von Weihnachten, Jahreswechsel, einer Reihe von Beerdigungen und meiner Boosterimpfung mit meiner Kreativität noch nicht wieder so weit. Aber ich bin fündig geworden und auf dieses Bild mit drei Schafen und einer angehängten Kurzpredigt zu eben unserer Jahreslosung gestoßen.
So bitte ich um Verzeihung, wenn ich dieses Jahr mit „Fremdmaterial“ beginne! Ich gelobe, demnächst dann wieder selbst zu denken und danke für heute dem Autor!
(Die Predigt stammt von Bernd Niss, „Werkstatt spezial“ (2021) K3.10 !, ich habe sie etwas gekürzt.)
1. … Drei Schafe, davon ein schwarzes, stehen an einer Tankstelle. Die drei von der Tankstelle. … Und gemeinsam singen sie wie einst Heinz Rühmann und Konsorten: „Ein Freund, ein guter Freund, das ist das Beste, was es gibt auf der Welt. Ein Freund bleibt immer Freund, auch wenn die ganze Welt zusammenfällt. Drum sei auch nie betrübt, wenn dein Schatz dich auch nicht mehr liebt. Ein Freund, ein guter Freund, das ist der größte Schatz, den’s gibt.”
Ja. So könnte es zusammenpassen. Jesus weist die Menschen als seine Freunde nicht ab. Die schwarzen und die weißen Schäflein des großen Hirten liegen ihm am Herzen. Als biblische Überschrift über das kommende Jahr, liegt es nah, darin auch einen Auftrag zu sehen — Mach’s wie Jesus. Wir schwarzen und weißen Schäflein sollen einander nicht abweisen. Ein Freund, ein guter Freund, dass ist der größte Schatz, den’s gibt. Also: Weist auch ihr nicht ab.
2. Noch einmal zum Bild: Was sollen die Schafe an der Tankstelle? Sie sind gekommen. Okay. Sie werden offenbar nicht abgewiesen. Auch gut. Doch so ein Schaf läuft weder mit Diesel noch mit Super, oder? Liegt hier ein Missverständnis vor? Haben die Schafe erlebt, wie schnell die Autos mit Kraftstoff laufen? Sollten sie daraus geschlossen haben, dass sie auch Diesel statt Gras und Wasser brauchen, um so zügig unterwegs zu sein? Die Menschen, die zu Jesus kommen — haben sie gesehen, wie fröhlich, zuversichtlich und klug seine Worte auf andere wirken können? Und nun wollen sie das auch. Was ein Mensch braucht, ist oft nicht dasselbe, was ein Mensch haben will. Es ist nicht hilfreich, sich bei der Beschaffung von Lebensenergie an anderen zu orientieren. Ein Schaf braucht keinen Diesel — ein Auto kein Gras.
3. Die Jahreslosung könnte passender nicht sein — in dieser Zeit. Das Aufeinandertreffen von Bedürfnissen und Notwendigem wird uns in diesem Jahr sicher noch in Trab halten. Schwarze und weiße Schafe. Pflanzenfresser und fossile Brennstoffe. „Wer zu mir kommt, den werde ich nicht abweisen”, sagt Jesus, und wir ahnen, dass er das als notwendige menschliche Haltung ansieht. Es ist, als hätten ihm ARD und ZDF ein Mikrofon hingehalten, um ihn zu fragen, was er denn meint: Zu den Taliban in Afghanistan, zu Querdenkern und den Flüchtlingen, die übers Mittelmehr oder Belarus nach Europa kommen. „… ich werde sie nicht abweisen”, sagt er und klingt dabei wie der Bundespräsident oder die Kanzlerin. Der Ausblick auf das neue Jahr verleitet ja dazu, schwarze und weiße Schafe auszumachen: Solche, die partout einander nicht annehmen wollen. Islamistische Fanatiker, sächsische Anti-Corona-Demonstranten. Und auf der anderen Seite Flüchtlinge, Freiheitsrechtler, …
Als vor einigen Jahren die Karikaturen über den Propheten aus dem Satire-blatt Charlie Hebdo in Frankreich und die heimtückischen Morde an ihren Zeichnern die Welt auf die Beine gebracht haben, brannten in arabischen Ländern wieder einmal Fahnen. … Wir hier haben uns an Blasphemie gewöhnt. In westlichen Demokratien schützen die Verfassungen die Kunstfreiheit, selbst wenn ein Karikaturist Jesus als dauerbreiten Kiffer verunglimpft. Die Verfassungen schützen aber auch den christlichen Gottesdienst, der nicht aufgehalten oder gestört werden darf. Wir haben es zu schätzen gelernt und die Verhältnisse zu wahren. Vor allem aber wissen wir: Karikaturen können Gott gar nicht lästern. … Wir wissen aber auch, dass antireligiöses Gekritzel andere Menschen kratzt. Es tut nun einmal weh, wenn sich irgendjemand lustig macht über das, was mir heilig ist. … . Wir haben die Aufgabe, weniger abweisend gegenüber dem Glauben zu sein — gegenüber dem eigenen und dem der anderen. Bei Jesus willkommen zu sein, heißt zu akzeptieren, dass der Glaube so heilig ist wie uns unsere Freiheitsrechte.
4. „…weist niemanden ab” — könnte auch das Leitwort für Thema Nr. 2 sein, das uns erneut betreffen wird. Es ist nötig, viel dafür zu tun, dass Menschen, die aus purer Verzweiflung zu uns kommen …, hier aufgenommen werden. Das ist gut. „Weist einander nicht ab.” Das geht mir trotzdem nicht über die Lippen. Zu groß die Aufgabe — wer kann schon wissen, was das bedeutet? Das Aufnehmen und Akzeptieren funktioniert nur gegenseitig. Es hat keinen Sinn, jemanden zu akzeptieren, der mich nicht akzeptiert. Ich meine, es steht uns in diesem Land gut zu Gesicht, Menschen in tiefster Not eine Unterkunft und Sicherheit zu geben — und Sprachkurse und auch eine Perspektive. Doch Annehmen ist das noch nicht. Dazu müssen — finde ich — die Lebensumstände für die Flüchtlinge erst andere geworden sein. Einander annehmen können wir uns, wenn sie nicht mehr unsere abgelegten Jacken tragen und in leer stehenden Kasernen wohnen. Wenn wir einander annehmen wollen, dann dürfen sich nicht zwei gegenüberstehen, von denen der Eine dankbar ist und der Andere Dankbarkeit erwartet. Der Eine nimmt, weil er nehmen muss. Der Andere gibt, weil er geben kann. Damit ist Gott nicht zu loben — bestenfalls die eigene Gutherzigkeit. Was ja nicht das Schlechteste ist. Kurz: Einander helfen und einander annehmen sind zwei paar Schuhe. Helfen können wir den Fremden. Annehmen können wir Freunde.
5. Die Jahreslosung, die in diesem Jahr mein christliches Leben und das Leben in der Kirche begleiten soll, ist wirklich anstrengend. Wenn ich darin einen Auftrag sehe. Das hatten wir auch schon mal leichter. Vielleicht darf ich uns die Losung etwas leichter machen, indem ich sie nicht auf dem Appell-Ohr höre: Nur weil Christus sagt, dass er niemanden abweist, heißt das nicht zuallererst, dass ich genauso verfahren muss. So herum wird es leichter gehen. Wir sind bereits angekommen, wie die Schafe an der Tankstelle. Niemand von uns muss sich sein Bleiberecht in Gottes Gemeinde erbetteln, erkaufen oder verdienen. Und wenn sie sich in dieser Welt, in dieser Gemeinde und vielleicht sogar heute in der Kirche umsehen und sehen nur Schafe, die bekanntlich auch Mist machen, dann kann dieses Wort für 2022 den Blick verändern: Ich sehe keine Schafe mehr, weder weiße noch schwarze. Ich sehe Menschen, die bei Christus angekommen sind. Was Tankwart Jesus tatsächlich für sie auf der Zapfsäule hat, können wir ihm überlassen. Vermutlich ist es nicht das, was wir erwarten. Vermutlich ist es nicht dasselbe, was ein anderer schon bekommen hat. Aber sicher wird es das sein, was wir brauchen. Gott sei Dank. Amen.
Möge das genauso sein für Euch und Sie im neuen Jahr!
Ihr/Euer Pastor Schnoor