Liebe Leserinnen und Leser

Krisensituationen auf dem Weg in eine Zukunft, die man sich selbst so nicht ausgesucht hat. In der vergangenen Woche Gethsemane und Jesus auf dem Weg zum Kreuz. Diese Woche ein Prophet, scheinbar triumphierend und am nächsten Tag ein Flüchtling, der am Ende ist und dann doch noch „einen weiten Weg vor sich hat.“

Dieser Prophet heißt Elija (= Mein Gott ist [ ja = biblischer Gottesname in Abkürzung]) und der Name ist Programm. Gegen all die Fruchtbarkeitsgötter der Nachbarvölker, die der König Ahab und seine phönizische Königin ins Land gebracht hatten, verteidigt Elija den Gott Israels. Er steht allein, vor allem die Königin, Isebel, ist seine Gegnerin. Die Geschichten um Elija finden sich im 1. Könige 17-19 im Alten Testament und spielen während einer langen Dürre, die das Land plagte. Der Höhepunkt scheint erreicht, als Elija gegen die Priester und Propheten der Fruchtbarkeitsgötter einen Wettkampf gewinnt. Es ging darum, ein Opfer auf einem Altar durch Anrufung des jeweiligen Gottes bzw. der Götter durch himmlisches Feuer (Blitze) zum Brennen zu bringen. Die Baalspriester versagen, Bei Elija ist es ganz einfach! Und dann lässt Elija nach dieser Machtdemonstration seinem Fanatismus freien Lauf. 450 Priester der Gegenseite werden umgebracht. Aber Gewalt hat noch nie Frieden erzeugt. Königin Isebel schäumt vor Wut und kündigt Elija an. Morgen mache ich mit Dir, was Du mit meinen Propheten gemacht hast! Und Elija bekommt Angst und flieht bis ans Ende des Nachbarkönigreiches Juda und darüber hinaus bis in die Wüste. Manchmal liegen Triumph und Absturz nahe beieinander.

Und dann lesen wir in 1. Könige 19, 4-8:

Elija aber ging hin in die Wüste eine Tagereise weit und kam und setzte sich unter einen Ginster und wünschte sich zu sterben und sprach: Es ist genug, so nimm nun, Herr, meine Seele; ich bin nicht besser als meine Väter. Und er legte sich hin und schlief unter dem Ginster. Und siehe, ein Engel rührte ihn an und sprach zu ihm: Steh auf und iss! Und er sah sich um, und siehe, zu seinen Häupten lag ein geröstetes Brot und ein Krug mit Wasser. Und als er gegessen und getrunken hatte, legte er sich wieder schlafen. Und der Engel des Herrn kam zum zweiten Mal wieder und rührte ihn an und sprach: Steh auf und iss! Denn du hast einen weiten Weg vor dir. Und er stand auf und aß und trank und ging durch die Kraft der Speise vierzig Tage und vierzig Nächte bis zum Berg Gottes, dem Horeb.
Heute würde man wohl sagen, dass Elija eine Depression hatte, mindestens aber einen inneren Zusammenbruch. Was eben noch Erfolg schien, bricht im nächsten Moment in sich zusammen. Elija hat Gott für seinen Hass auf die Gegner missbraucht, er war fanatisch und er hat gemordet. Solche Verhaltensweisen kennen wir, wir erleben sie gerade in der Ukraine, wo ein russischer Präsident seine Vorstellungen, wie die Geschichte abzulaufen habe, mit Gewalt durchsetzen will und unendliches Leid produziert.

Was mich an der Geschichte von Elija und gerade an dieser Geschichte seines Zusammenbruchs fasziniert, seit ich sie das erste Mal gehört bzw. gelesen habe (was zuerst war, weiß ich gar nicht mehr!): Es gibt keine Häme und keine Abrechnung, es gibt einen Engel und es gibt ein neues Bild von Gott und einen neuen Weg für Elija! Und je öfter ich die Geschichte höre/lese, desto mehr bin ich fasziniert darüber, dass der Engel zweimal mit Brot und Wasser kommt, also mit dem, was Mensch zum Leben braucht, nicht mehr, nicht weniger. Beim ersten Mal nur ein „ Steh auf und iss“, dann kann Elija weiterschlafen. Es wird respektiert, wie kaputt, wie körperlich und seelisch fertig er ist. Erst beim zweiten Mal wird seinem Stoßseufzer Es ist genug, so nimm nun, Herr, meine Seele; ich bin nicht besser als meine Väter eine Alternative aufgezeigt. Elija will nicht mehr und denkt, sein Weg ist zu Ende. Stattdessen wird er auf einen neuen Weg geschickt.

9Und er kam dort in eine Höhle und blieb dort über Nacht. Und siehe, das Wort des Herrn kam zu ihm: Was machst du hier, Elija? 10Er sprach: Ich habe geeifert für den Herrn, den Gott Zebaoth; denn die Israeliten haben deinen Bund verlassen und deine Altäre zerbrochen und deine Propheten mit dem Schwert getötet und ich bin allein übrig geblieben, und sie trachten danach, dass sie mir mein Leben nehmen. 11Der Herr sprach: Geh heraus und tritt hin auf den Berg vor den Herrn! Und siehe, der Herr ging vorüber. Und ein großer, starker Wind, der die Berge zerriss und die Felsen zerbrach, kam vor dem Herrn her; der Herr aber war nicht im Winde. Nach dem Wind aber kam ein Erdbeben; aber der Herr war nicht im Erdbeben. 12Und nach dem Erdbeben kam ein Feuer; aber der Herr war nicht im Feuer. Und nach dem Feuer kam ein stilles, sanftes Sausen. 13Als das Elija hörte, verhüllte er sein Antlitz mit seinem Mantel und ging hinaus und trat in den Eingang der Höhle.

40 Tage und Nächte bis zum Horeb, 40 Jahre Wüstenwanderung Israels, 40 Tage und Nächste vor der Versuchung Jesu, 40 = symbolische Zahl der Vorbereitung auf das Neue. Elija ist am Gottesberg angekommen. Nun steht er in einer Höhle und beschwert sich und fühlt sich ganz als Opfer. Die Anderen sind die Bösen und alles ist ungerecht und Elija ist das arme Opfer, das sich doch so angestrengt hat für Gott! Er kreist nur um sich, was ihm Böses widerfahren ist und die Höhle ist wie ein Symbol seiner Gefangenschaft in seinen eigenen Vorstellungen

Und dann zeigt Gott ihm, wo sein Fehler gelegen hat. Zerstörerischer Wind, Erdbeben, Feuer, Naturgewalten, Mächte. So hatte Elija sich Gott vorgestellt und dieses Gottesbild hatte er versucht durchzusetzen! Und dreimal heißt es in dem Text: der Herr aber war nicht… (im Wind, im Erdbeben, im Feuer!). Und dann kam ein „stilles, sanftes Sausen“, ein „schwebendes Schweigen“, das all die Gewalt- und Machtphantasien Elijas hinweg schweben lässt. Die Höhle, in der Elija immer nur um sich und seine eigenen Gedanken gekreist war, die ein Gefängnis seiner selbst gewesen ist, am Ende der Geschichte wird er sie verlassen und neu Frieden finden und weiter gehen. Eine gute Antwort auf die Frage nach dem Frieden, der auch eine kleine Geschichte von einem Bild folgt:

Ein Maler hatte ein „Haus des Friedens“ gemalt. Groß und stabil, fest wie eine Arche. Die Farben freundlich und harmonisch. Eine friedliche Stimmung lag in dem Bild.

Ein kleiner Junge betrachtete das Bild ganz aufmerksam. Plötzlich fragte er: „Vater, auf diesem Bild fehlt etwas. Es fehlt die Klinke an der Haustür. Wie soll denn da Friede ins Haus kommen?“ Der Vater, nicht wenig erstaunt, antwortete: „Die Türklinke hat der Maler bestimmt nicht vergessen, er hat sie einfach weggelassen. Der Friede kann nur ins Haus kommen, wenn wir ihm von innen die Tür öffnen und ihn bei uns wohnen lassen.“

Ich wünsche uns offene Augen, Mut und einen Engel mit Brot und Wasser, wenn es nötig ist  –  und dass wir vielleicht auch selbst so ein Engel sein können, wenn nötig!

Ihr/Euer Pastor Schnoor