Liebe Leserinnen und Leser

Ziemlich oft geht es in diesen Andachten um das Thema des jeweils vergangenen Sonntags und der aktuellen Woche. Diese Woche greife ich etwas voraus.

Wir haben im März mit einer neuen Gottesdienstreihe begonnen. Thematische Gottesdienste am Samstagabend einmal pro Monat. Der nächste Wochenschluss-Gottesdienst findet am kommenden Samstag, den 2. April, um 18 Uhr in der Süderbraruper St. Jacobi-Kirche statt. Das Thema wird „Frieden“ sein.

Gerade in Zeiten wie diesen, in denen der Krieg in der Ukraine die Corona-Pandamie in die zweite Nachrichtenreihe verdrängt hat, wird „Friede“ oft mit „Ende des Krieges“ gleichgesetzt, aber das ist für die Bibel nur ein kleiner Teil dessen, was „Friede“ wirklich meint, denn dahinter steckt weit mehr als das Schweigen der Waffen. Es geht um Miteinander, um Gerechtigkeit, um Versöhnung zwischen Menschen und Mensch und Natur. Frieden ist ein idealer Zustand im Großen wie im Kleinen. Eines der für mich schönsten Bilder vom Frieden in der Bibel ist eine Vision im 11. Kapitel des Buches des Propheten Jesaja (Jesaja 11, 6-9):

Dann ist der Wolf beim Lamm zu Gast, und der Leopard liegt neben dem Böckchen. Ein Kalb und ein junger Löwe grasen miteinander, ein kleiner Junge hütet sie. Kuh und Bär weiden zusammen, ihre Jungen liegen nebeneinander. Der Löwe frisst Stroh wie das Rind. Ein Säugling spielt am Loch der Natter. Ein kleines Kind streckt seine Hand aus über der Höhle der Giftschlange. Man tut nichts Böses und begeht kein Verbrechen auf meinem ganzen heiligen Berg. Denn das Land ist erfüllt von Erkenntnis des HERRN, so wie das Meer voll Wasser ist.

 Oder das bekannte Wort des Propheten Micha (Micha 4,3), das zum Motto der Friedensbewegung wurde („Schwerter zu Pflugscharen“): Er wird unter vielen Völkern richten und mächtige Nationen zurechtweisen in fernen Landen. Sie werden ihre Schwerter zu Pflugscharen machen und ihre Spieße zu Sicheln. Es wird kein Volk wider das andere das Schwert erheben, und sie werden hinfort nicht mehr lernen, Krieg zu führen.

Beides ist so weit weg von unserer Realität: Ein Zustand ohne Krieg, ohne Angst voreinander, mit Gerechtigkeit und genug Lebensmöglichkeiten für alle, ein Zustand, in dem es keine Unterdrückung mehr gibt, weder die von einzelnen Menschen, noch von Völkern noch der Natur. Der hebräische Begriff für Frieden lautet „Shalom“ und meint all diese Aspekte, jedes Mal, wenn man sich begrüßt.

Wie gesagt, das ist weit entfernt von unserer Realität mit Krieg, mit Ungerechtigkeiten, mit einer Gesellschaft, die unversöhnlich in verschiedene Meinungen zerfällt, mit Menschen, die sich darüber bis in Familien hinein zerstreiten (sei es Corona, der Ukrainekrieg, der in Russland nicht so heißen darf oder anderes), mit einer Natur, die immer noch für die Interessen von Menschen ausgebeutet wird usw. Und oft herrscht nicht einmal in uns als einzelnen Menschen „Frieden“, wir sind zerrissen zwischen so vielen Ansprüchen, Wünschen, Ängsten in uns und an uns!

Und trotzdem bleibt „Frieden“ eine der ganz großen Sehnsüchte. Und ich glaube, gerade darum ist der Begriff „Shalom/Friede“ in der Bibel so weit, so universal gefasst. Es ist kein Zustand, den wir Menschen jemals ein für allemal und dann auf Dauer erreichen könnten. Diesen ewigen Frieden kann nur Gott geben! Aber wir sind jeden Tag aufgerufen, am Frieden zu arbeiten. Frieden ist ein Prozess, der nie aufhört, der uns immer wieder herausfordert, manchmal im Größeren, aber jeden Tag im Kleinen.

Von Jesus ist im Matthäus-Evangelium (Mattäus 7,12) eine allgemeine Regel überliefert, die sich so oder ähnlich auch in anderen Religionen und Kulturen findet: „Behandelt andere Menschen genauso, wie ihr selbst behandelt werden wollt.“

Ich finde diese Regel, die ja so einfach ist, trotzdem genial, weil sie mein Verhältnis zu Anderen nicht an deren Verhalten bindet und mich von diesem Verhalten abhängig macht („Wenn Du freundlich bist, dann bin ich auch freundlich!“ „Wenn  Du XY, dann ich auch XY“). Das ist ja eines der Probleme, das bei den großen Auseinandersetzungen immer wieder auftritt. Ich bin bereit zum Frieden, aber erst einmal müssen folgende Bedingungen oder Erwartungen erfüllt werden. Und die Gegenseite hat auch ihren Erwartungskatalog und ihr Misstrauen und ihre Ängste – und so kommt man nur sehr zäh voran, und auch nur, wenn der Druck so groß wird, dass man sich die Kämpfe nicht mehr lange leisten kann!

Im Kleinen, Privaten, läuft es auch meist nicht so viel anders ab. Das Spiel gegenseitiger Erwartungen aneinander: „Behandelt andere Menschen genauso, wie ihr selbst behandelt werden wollt.“  durchbricht diese Strukturen. Ich mache mich in meinem Verhalten unabhängig vom Verhalten des/der Anderen, indem ich mir die Frage stelle: Wie möchte ich selbst in dieser Situation eigentlich behandelt werden? Und wenn ich mir diese Frage intensiv stelle, dann werde ich  zumindest eine Vorstellung bekommen, welches Verhalten mir gegenüber angemessen wäre und um welches Verhalten ich mich deshalb selbst bemühen sollte. Klappt das gleich? Wahrscheinlich nicht! Klappt das immer? Sehr wahrscheinlich nicht! Aber das hat es mit sehr vielen Dingen gemeinsam, die man üben muss, um Fortschritte zu machen – wie im richtigen Leben eben. Wird es Rückschläge geben, weil die Anderen mich falsch verstehen oder Entgegenkommen ausnutzen? Ziemlich sicher! Aber welche Alternative gibt es denn? Einander feindselig bis an die Zähne bewaffnet gegenüberzustehen? Ist Nordkorea/Südkorea wirklich ein attraktives Modell für menschliches Miteinander?

Der Wochenschluss-Gottesdienst am 2. April, 18 Uhr in der St. Jacobi-Kirche wird mit einer Geschichte beginnen: Der russische Schriftsteller Marschak beobachtete einmal sechs- bis siebenjährige Kinder beim Spiel. “Was spielt ihr?” fragte er sie. “Wir spielen Krieg”, antworteten ihm die Kinder. Daraufhin erklärte ihnen der Schriftsteller: “Wie kann man nur Krieg spielen! Ihr wisst doch sicher, wie schlimm Krieg ist. Ihr solltet lieber Frieden spielen.”

“Das ist eine gute Idee”, sagten die Kinder. Dann Schweigen, Beratung, Tuscheln, wieder Schweigen. Da trat ein Kind vor und fragte: “Großväterchen, wie spielt man Frieden?”

Das ist wohl ein Problem, dass „Friedensspiel“ in unserer Entwicklung oft eine geringere Rolle gespielt haben als Spiele, in denen es darum ging, dass andere verlieren, damit ich gewinnen kann! „Frieden spielen“ funktioniert anders, nämlich so, dass alle gewinnen und keiner verliert. Behandelt andere Menschen genauso, wie ihr selbst behandelt werden wollt.   Ist dafür ein sehr guter Ansatz, denn er spricht den einzigen Menschen an, auf dessen Verhalten ich Einfluss habe, mich selbst! Und sich zu verändern ist schon schwierig genug, wie mir wahrscheinlich die Meisten zustimmen werden!

Und wer sich noch etwas mehr mit dem Thema Frieden beschäftigen möchte, ist herzlich eingeladen am Samstag, den 02. April um 18 Uhr in die St. Jacobi-Kirche zu Süderbrarup !

Ich wünsche Ihnen/Euch gute Erfahrungen im friedlichen Umgang mit sich/Euch und miteinander!

Ihr/Euer Pastor Schnoor