Liebe Leserinnen und Leser

Heute geht es um ein altes Lied, das man eigentlich nur im Mai singen kann und das ich in diesem Jahr noch nicht gesungen habe. Und ob es in den übrigen Gottesdiensten in diesem Monat noch klappt, ist fraglich. Darum widme ich ihm diese Andacht. Die Gedanken zu den Strophen verdanke ich einer Predigt von Rudolf Rengstorf zum Sonntag „Kantate“ 2019, die ich etwas gekürzt und für diesen Zweck umgestaltet habe. Das Lied steht im Gesangbuch unter der Nummer 501 und heißt: „Wie lieblich ist der Maien.  

(https://predigten.evangelisch.de/predigt/wie-lieblich-ist-der-maien-predigt-zu-eg-501-von-rudolf-rengstorf),

Martin Behm hat dieses Lied vor mehr als 400 Jahren gedichtet. Er war Lehrer und später auch Pfarrer in seiner Heimatstadt Laubau in der Oberlausitz. In seiner Welt würde sich keiner von uns Heutigen zurechtfinden. Und umgekehrt: Wäre Martin Behm in unsere Zeit versetzt worden: würde er sich genauso wenig zurechtfinden. Eine unüberbrückbare Kluft scheint das zu sein, die zwischen damals und heute liegt.

 Sein Lied aber überspringt die Jahrhunderte mit all den Veränderungen und erreicht mich auf einer emotionalen Ebene. Das liegt einmal an der Melodie. Sie bringt innerlich in Schwung ! Aber auch der Text überspringt den „garstigen Graben der Geschichte“ zwischen damals und heute. Denn Martin Behm singt, was ganz ohne unser Zutun jedes Jahr von neuem die Lieblichkeit des Maien ins Leben bringt. Nach den dunklen, kalten und grauen Wintermonaten sind wir besonders empfänglich für das Grünen und Blühen. Auf jedem Fleckchen Erde, ja selbst aus Mauer- und Pflasterritzen dringt es hervor.

1. Wie lieblich ist der Maien aus lauter Gottesgüt, des sich die Menschen freuen, weil alles grünt und blüht. Die Tier sieht man jetzt springen mit Lust auf grüner Weid, die Vöglein hört man singen, die loben Gott mit Freud.

Auf den Weiden sind wieder Kühe und Pferde zu sehen. Und dazu noch die Vögel! Ihre Stimmen dringen schon bei Sonnenaufgang ins Schlafzimmer, wirken aber ganz anders als etwa der Verkehrslärm. Dessen Monotonie geht auf die Nerven. Das Vogelgezwitscher aber weckt die Freude am Leben und die Lust auf den neuen Tag:

“Die loben Gott mit Freud”, heißt es hier.  Das ist zwar keine wissenschaftliche Betrachtung. Da sind die Vogelstimmen nichts als Signale – notwendig im Kampf ums Überleben. Wie alles in der Natur – für sich betrachtet – auf eine objektive Ursache zurückgeht, die mit unseren Empfindungen und Deutungen nichts zu tun hat. Doch alle wissenschaftliche Betrachtung ist immer sekundär, kommt erst im Nachhinein, wenn wir auf Abstand gegangen sind. Zunächst und primär aber stehen wir unserer Umgebung nicht als etwas Fremdem, Objektivem gegenüber. Ursprünglich sind wir in unsere Umwelt einbezogen als Teil ein und derselben Schöpfung. Und dabei erleben wir, dass die Schöpfung uns anspricht, uns etwas zu sagen hat.

 2. Herr, dir sei Lob und Ehre für solche Gaben dein! Die Blüt zur Frucht vermehre, lass sie ersprießlich sein. Es steht in deinen Händen, dein Macht und Güt ist groß; drum wollst du von uns wenden Mehltau, Frost, Reif und Schloß’ (=Hagel)

In der zweiten Strophe folgt auf das Lob die Bitte darum, dass der verheißungsvolle Anfang am Ende auch Früchte trägt. In Keimen und Blüten ist das vom Schöpfer zwar alles darauf angelegt- Aber es kann ja auch ganz anders kommen. Wie oft erleben wir, dass die schönsten Blüten zunichte gemacht werden durch Nachtfröste, durch Pilz oder anderen Schädlingsbefall oder durch Hagelschlag. Naturereignisse, denen man damals viel schutzloser ausgeliefert war als wir heute. Sie konnten dazu führen, dass man über Nacht vor dem Ruin stand. Von solchen Sorgen und Ängsten werden wir heute weniger heimgesucht, weil es für die Betroffenen Versicherungen und staatliche Hilfen gibt. Dafür wächst bei uns die Sorge darum, dass der von uns Menschen verursachte Klimawandel nicht mehr in den Griff zu bekommen ist. Weil die Verantwortlichen in Politik und Wirtschaft genauso wie wir Verbraucher zu kurzsichtig und egoistisch sind, um unsere Mitgeschöpfe vor weiterer Vernichtung zu bewahren und unseren Nachkommen eine lebenswerte Welt zu erhalten.  „: Drum wollst du, Gott, von uns wenden den Mehltau von  Gleichgültigkeit und Resignation, den Frost des Egoismus und die Schloßen, den Hagel von immer mehr CO2 und Plastik.

3. Herr, lass die Sonne blicken ins finstre Herze mein, damit sich’s möge schicken, fröh-lich im Geist zu sein, die größte Lust zu haben allein an deinem Wort, das mich im Kreuz kann laben und weist des Himmels Pfort.

Ja, und wenn Gott unsere Bitte nicht erfüllt und das Unglück nicht abwendet? Wenn es im Leben anders kommt, als wir uns das gewünscht und von Gott erbeten haben? Und warum? – Warum in aller Welt lässt Gott das zu? Ich habe darauf schon so viele Antworten gehört, und trotzdem bleibt diese Frage offen. Und damit fällt ein unheilvoller Schatten auf unser Leben und verfinstert das Herz: „Herr, lass die Sonne blicken ins finstre Herze mein” -. Da kann es mitten im Jubel über die Schönheit da draußen im Herzen drinnen zappenduster sein. Da kann man sich monatelang auf Frühling, blauen Himmel, Sonne und Farben gefreut haben – und trotzdem bleibt es finster im Herzen, weil die Enttäuschung und dass Leiden an dem Gott, der nicht hilft, das Herz besetzt halten und nicht verdrängt werden können.

Schick, lieber Gott, die Sonne in mein Herz, “damit sich es möge schicken, fröhlich im Geist zu sein”. Hier ist von einer Fröhlichkeit die Rede, die nicht von selber kommt und geht, sondern in die man sich schicken kann, wenn einem gar nicht nach Fröhlichkeit ist, in die Fröhlichkeit des Geistes. Sie freut sich, hat ihre Lust daran, dass Gott nicht aufhört zu reden, wenn seine Sprache in der Welt dunkel wird und unverständlich. Sein Wort an uns geht doch weiter in den Geschichten von dem Mann, der Leiden und Kreuz auf sich genommen hat, damit wir da nicht allein sind und gewiss sein können, dass die Pforte des Himmels uns offensteht. Denn als Gottes Kinder sind wir nicht nur von dieser Welt.

4. Mein Arbeit hilf vollbringen zu Lob dem Namen dein und lass mir wohl gelingen, im Geist fruchtbar zu sein; die Blümlein lass aufgehen von Tugend mancherlei, damit ich mög bestehen und nicht verwerflich sei.

Hier werden zwei Bereiche zusammengebracht, die bei uns meist strikt getrennt sind: Arbeitswelt und Lob Gottes. Denn mit seiner Arbeit wird der Mensch ja selbst so etwas wie ein Schöpfer, und mit dem, was der Mensch alles kann und tut, scheint er Gott nicht zu brauchen. Aber dafür, dass Arbeit gelingt, Leistung sich lohnt, Spaß macht, Anerkennung findet, dass durch Arbeit Selbstwertgefühl erzeugt wird, dass der Mensch die Welt durch Arbeit umgestalten und verändern kann – das ist doch alles andere als selbstverständlich. Das spricht doch nicht gegen, das spricht für Gott!

Die Bitte um Fruchtbarkeit im Geist geht genau darum: dass ich bei aller Leistung, bei aller Arbeit nicht vergesse, sondern wahrnehme und erkennbar mache, wes Geistes Kind ich bin! Und dann, ja, findet sich da noch dieses alte Wort “Tugend”. Klingt das nicht zu sehr nach abgestandener Moral? Ich denke nicht! Mit Blümlein, mit Blumen wird die Tugend in Verbindung gebracht. Gott möge uns Menschen sein und werden lassen, die sich nicht darin gefallen, dass ihnen alles stinkt, sondern die wie Blumen wirken, einen wohltuenden, die Lebensgeister weckenden Duft verbreiten und den Betrachtern ein erfreuliches Bild bieten.

Einen wunderbaren restlichen Mai!

Ihr/Euer Pastor Schnoor