Liebe Leserinnen und Leser

Der vergangene Sonntag hatte das Thema „Taufe/Tauferinnerung“, und damit die Frage: Was bedeutet die Taufe für das Leben als Christin oder Christ? Bevor Sie weiterlesen / Ihr weiterlest – erst einmal eine kleine persönliche Frage. Wie ist das denn bei Dir/Ihnen? Was bedeutet Dir/Ihnen die eigene Taufe (vorausgesetzt, Du bist/Sie sind getauft!)? Denkt mal einen Moment darüber nach, bevor Sie/Du wieder auf meine Gedanken einschwenken/einschwenkst.

Kleine Zeit zum Nachdenken!

Also bei mir war es so (habe ich meiner Taufurkunde und den Aussagen meiner Eltern entnehmen können!). Ich bin am 26. Dezember 1961 im Alter von 4 Monaten in der Dankes-Kirche zu Kiel-Holtenau getauft worden. Von meiner Taufe weiß ich selbst nichts mehr aus erster Hand, aber das ist normal, denn was in den ersten 2-3 Lebensjahren geschieht, prägt uns zwar für unser Leben nachhaltig, aber wir erinnern uns später nicht selbst bewusst daran, sondern haben unsere „Erinnerungen“ aus Bildern oder Erzählungen anderer Menschen. Hängt damit zusammen, dass sich das „Langzeitgedächtnis“ erst entwickeln muss. Das war bei mir auch so, und lange Zeit hatte meine Taufe für mich bewusst die gleiche Bedeutung wie meine Pockenimpfung – nämlich gar keine!

Das hat sich inzwischen geändert aus verschiedenen Gründen.  Einige Gründe hingen natürlich mit meinem Studium und meiner Ausbildung zum Pastor zusammen zur Frage nach dem, was Taufe theologisch so alles bedeutet. Ich habe da in verschiedenen Zusammenhängen viel über Taufe gelernt, dass man in der Geschichte ganz unterschiedliche Vorstellungen hatte, warum die Kindertaufe sich in Europa jahrhundertelang weitgehend durchsetzte (das hing mit der Überzeugung zusammen, nur getaufte Menschen kommen in den Himmel, und man wollte für die Kinder bei hoher Kindersterblichkeit auf Nummer sicher gehen!) oder auch das Verhältnis von Taufe und Glauben. Zentral ist da ein Vers aus dem Schluss des Markus-Evangeliums (Markus 16,16) und wie man ihn versteht: „Wer glaubt und sich taufen lässt, den wird Gott retten. Wer nicht glaubt, den wird Gott verurteilen.“ (Übersetzung der Basisbibel).

Mir ist im Laufe der Zeit immer deutlicher geworden, dass die eigentliche Grundstruktur des Satzes lautet: Wer glaubt, wird gerettet, wer nicht glaubt, wird verurteilt! Welche Bedeutung hat dann aber die Taufe in diesem Prozess? Das hängt damit zusammen, wie hier der Glaube bzw. Rettung und Verurteilung zu verstehen sind!

Ich verstehe es gegenwärtig so: Glaube ist eine Antwort auf etwas, was ich als Offenbarung Gottes erlebe. D.h. ich nehme Jesus Christus als Mensch gewordene Botschaft Gottes wahr, dass Gott jede/n von uns liebt, das innerste Wesen Gottes also die Liebe ist. Wirkliche Liebe ist zwar immer bedingungslos, aber sie vollendet sich erst in der Antwort: Wenn ich zu jemandem sage: Ich liebe dich, dann hoffe ich auf die Antwort: „Ich liebe dich auch!“ Kommt eine andere Antwort, dann bleibt meine Liebe unerwidert, kommt gar keine Reaktion darauf, hänge ich in der Luft! Wenn ich also dieser Botschaft vertraue (denn absolute Garantie hat man im Blick auf Gott als Mensch ja nie!!!), dass Gott die Liebe selbst ist, dann kann ich mein Leben so zu leben versuchen, dass ich eine möglichst gute Antwort auf diese Liebe gebe. Perfekt bin ich nie, sondern ich begehe an jedem Tag garantiert so manche Fehler. Aber ich lebe davon, dass ich trotzdem nie aus der Liebe Gottes herausfalle, obwohl ich so bin, wie ich bin! Denn ich bin noch weit entfernt von dem Menschen, der ich in den Augen Gottes eigentlich sein soll und habe mein wirkliches Potential der Liebe noch lange nicht ausgeschöpft. Ich lebe also immer davon, dass Gott mich aus Liebe rettet und ich jeden neuen Tag versuchen kann, es besser zu machen als gestern und heute! Wer also der Liebe Gottes vertraut, lebt als jemand, der schon gerettet ist – trotz bleibender Defizite! Er oder sie kann sich ohne Angst weiterentwickeln. Wer dieser Botschaft, die als Evangelium, also „gute Botschaft“ benannt ist, jedoch nicht glaubt/vertraut, der muss sein Leben auf einem anderen Fundament aufbauen als dieser im Evangelium benannten Liebe Gottes. Das kann im Einzelnen sehr unterschiedlich sein: Leistung, moralischer Perfektionismus, Macht usw. entweder religiös oder auch nicht.

Immer aber geht es um den Grad der Erfüllung von Normen, Regeln, Verhältnissen und Erwartungen (eigenen oder fremden!). Und wenn man sie nicht erfüllt, ist das Ergebnis entsprechend ein negatives. Kurz gesagt: Wenn ich mein Leben nicht unter dem Blickwinkel der Liebe Gottes betrachte (= Glaube), werde ich es unter dem anderen Blickwinkel der Be- und Verurteilung betrachten müssen. Und je nachdem, welchen Betrachtungswinkel ich wähle, werde ich mich selbst, aber immer auch die  Anderen sehen. Ich werde be- oder verurteilen oder ich werde zumindest versuchen zu lieben, also zu schauen, was ein Mensch jetzt brauchen könnte, um sich gut zu entwickeln, um sinnvoll zu leben – soweit ich das denn überschauen kann!

Sehr langer Anmarschweg, ich weiß! Aber kürzer konnte ich nicht und bitte um Verzeihung. Also, was hat die Taufe damit zu tun?

Nun, die Taufe ist eine sichtbare Konsequenz, die ich aus dem Glauben ziehe! Ich vertraue auf das Evangelium und möchte mein Leben aus dieser Perspektive leben! Das wird durch das Ritual der Taufe deutlich gemacht, denn diese Taufe wirkt lebenslang. Taufe macht deutlich, dass mein Leben davon abhängt, dass ich von Gott geliebt bin, egal, ob ich das in meinem Leben gerade so spüre und ob mein Glaube stark ist oder nicht einmal die Größe eines Senfkorns erreicht, also winzig ist. In der Taufe ist mir Gottes JA zugesagt, und mein Leben ist der Weg meiner Antwortversuche auf dieses JA! Und wenn ich mit mit gerade höchst unzufrieden bin und den Eindruck habe, ich versage auf ganzer Linie, dann bin ich immer noch getauft! Ob mir das gerade etwas bedeutet oder nicht, ist zweitrangig! Deshalb ist mein Glaube auch immer eine Antwort auf die Taufe und keine Voraussetzung dafür, dass die Taufe wirkt!

Und dies wird für mich besonders in der Taufe von Säuglingen und Kleinkindern deutlich! Bei diesen Menschen wird sofort klar, was wir Erwachsenen oft vergessen haben: Kinder leben davon, dass andere Menschen sie lieben und für sie sorgen und sich für sie einsetzen, lange bevor die Kleinen etwas geleistet hätten, außer da zu sein! Gott gegenüber ändert sich daran grundsätzlich nur wenig, unser Leben ist und bleibt immer ein Geschenk, wir können es nicht selbst garantieren. Und wir bleiben bis zu gewissem Grad weiter abhängig von anderen Menschen, außer wir sind Einsiedler in der Wildnis!

Und dann ist mir die Bedeutung der Taufe vor allem als Vater meiner Töchter deutlich geworden, wo mir bewusst war, ich kann nicht garantieren, dass in ihrem Leben alles gut läuft, dass ich sie vor Bösem immer beschützen kann und immer da bin, wenn ich gebraucht werde. Gut, dass sie in der Taufe Gott anvertraut sind, auch wenn das keine Vollkaskoversicherung ist!

     Ich wünsche Ihnen und Euch weiterhin gesegnete Sommerzeit!

Ihr/Euer Pastor Schnoor