Liebe Leserinnen und Leser

Nachdem es letzte Woche aufgrund von Urlaub keine Wochenandacht gab, geht es diese Woche weiter.

„Dieses Gebot haben wir von ihm, dass, wer Gott liebt, dass der auch seinen Bruder (/seine Schwester) liebe.“ 1. Johannesbrief 4,21 So heißt es im Wochenspruch für diese Woche, der damit das Doppelgebot Jesu zur Gottesliebe, Selbst- und Nächstenliebe aufgreift. Ihr erinnert Euch: Gott von ganzem Herzen, ungeteilt lieben und den Mitmenschen wie sich selbst!!

Das diese beiden Seiten zusammengehören, ist eine der Grundlagen des christlichen Glaubens und christlicher Ethik. Darüber sind sich eigentlich alle einig, und die Nächstenliebe ist so grundlegend, dass sie sogar in Teile unserer Rechtsprechung eingegangen ist. Das Vorbild des barmherzigen Samariters wäre heutzutage die vom Gesetz erwartete Pflicht zur Ersthilfe! Priester und Levit würden sich heutzutage in Deutschland grundsätzlich strafbar machen, wenn sie sich nicht um den Verletzten gekümmert hätten! (unterlassene Hilfeleistung!!)

Interessant übrigens, dass damals die Gottesliebe eher das Naheliegende war, während die Liebe zum Mitmenschen erst noch betont werden musste! „Dieses Gebot haben wir von ihm, dass, wer Gott liebt, dass der auch seinen Bruder (/seine Schwester) liebe.“ Allerdings frage ich mich seit einiger Zeit immer mehr, ob das bei uns nicht eigentlich noch immer genauso ist, auch wenn von Gott gar nicht mehr gesprochen wird? Hehre Prinzipien hochzuhalten ist auch heute häufig einfacher, als im konkreten Fall Menschen zur Hilfe zu kommen, wenn es einen selbst etwas kosten würde! Und so ist es auch weniger der Begriff der „Nächstenliebe“, der Verwendung findet, sondern eher Begriffe wie „Solidarität“ oder „(Mit-)Menschlichkeit“, die eine je eigene geistige Geschichte haben. Und immer wieder bis heute die Frage, wer denn nun zu denjenigen gehört, um die man sich kümmern muss – bis hinein in die Regeln und Gesetze, wer ein Verfolgter sei, dem Asyl zu gewähren ist und wer „nur“ ein Wirtschaftsflüchtling ist, den man möglichst schnell wieder loswerden will. Und neuerdings scheint es ja auch Kriegsflüchtlinge verschiedenen Grades bei uns zu geben, je nachdem, ob sie aus der Ukraine oder anderswoher kommen. So jedenfalls beschlich mich ein Gefühl nach Lektüre  einiger Artikel unserer Regionalzeitung.

Und dabei hat Jesus doch genau diese Frage seines Gesprächspartners umgedreht, wer denn zum Kreis derer gehört, die „Nächste“ und damit zu lieben sind. Er erzählt das Gleichnis vom „Barmherzigen Samariter“, das seine Spitze in der anschließenden Frage hat: „Wer glaubst du, ist für denjenigen, der Opfer eines Gewaltverbrechens wurde, ein Nächster gewesen?“ Und sein Gesprächspartner antwortet: „Derjenige, der ihm geholfen hat!“ Jesu Entgegnung: „Geh hin und mach es genauso!“

Die Grundfrage der Nächstenliebe ist also nicht: Wer hat ein Anrecht auf meine Hilfe?“, sondern: „Wer benötigt meine Hilfe?!“

Und wer jetzt sagt: Das kann ich doch gar nicht leisten, das würde doch alle Menschen betreffen?, der hat durchaus Recht: Universale Nächstenliebe kann kein Mensch allein leisten, so dass man irgendwann sagen könnte: „Ich habe Nächstenliebe gelebt! Ich lebe Nächstenliebe!“ Es gibt nie im Leben den Augenblick, wo ich damit fertig wäre. Immer wird es Menschen gegeben haben, an denen ich vorbei gegangen bin, deren Nöte ich nicht gesehen habe. Und es wird Situationen geben, die mir genau das deutlich machen. Meine Aufgabe ist, Tag für Tag ein Stück zu lernen, dass die Grundfrage der Nächstenliebe niemals heißt: Wer bist du? Sondern immer: Was brauchst du? Was ist deine Not? Ich werde das in diesem Leben wohl nie perfekt lernen, und das muss ist auch nicht. Ich soll nur nicht mit dem Lernen aufhören und jeden Tag neu begreifen , dass nicht meine Liebe und meine Kraft und meine Großartigkeit der Motor und die Kraftquelle für Nächstenliebe sind, sondern die Liebe Gottes. Deshalb steht für Jesus auch die Gottesliebe zuerst. Je intensiver ich im Kreislauf der Liebe zu Gott stehe, desto mehr und intensiver kann ich sehen, was auf der mitmenschlichen Ebene für mich jetzt und hier „dran“ ist. Je mehr ich es lerne, mich meiner eigenen Bedürftigkeit zu stellen und mich von Gott beschenken zu lassen, desto besser kann ich lernen, mit der Bedürftigkeit Anderer umzugehen nicht als einer, der so toll und stark ist, sondern einer, der sich als Beschenkter erfährt und einen Teil dieses Geschenks weitergibt!

Die beiden Seen Israels (leider habe ich keine Quellenangabe für diese Geschichte!)

In Israel gibt es zwei Seen: Den See Kinnareth, der vielleicht besser bekannt ist unter dem Namen See Genezareth oder Galiläischer See, und das Tote Meer, das trotz des Namens ein See ist und kein Meer.

Der See Genezareth ist nicht besonders groß, lediglich 168 Quadratkilometer, also etwa ein Drittel so groß wie der Bodensee. Doch der See Genezareth ist ein See voller Leben, und er ist sehr bedeutsam für Israel. Der See Genezareth ist nämlich das wich­tigste Wasserreservoir des Landes und bewässert unter anderem die trockenen südwestlichen Teile Israels. Viele Fischer verdienen hier ihren Lebensunterhalt, unter anderem mit Petrusfischen, einer in vielen Restaurants geschätzten Delikatesse.

Der Jordan, der durch den See Genezareth fließt, fließt weiter Richtung Süden und er­reicht nach einer Weile das Tote Meer. Die Wasseroberfläche des Toten Meeres ist der tiefste Punkt des Jordan, 417 Meter unter dem Meeresspiegel. Wie der Name bereits andeutet, gibt es keinerlei Leben im Toten Meer — weder Pflanzen noch Tiere überleben aufgrund des hohen Salzgehaltes. Dieje­nigen, die im Toten Meer baden, müssen ein Brennen in den Augen und in offenen Wunden aushalten, das von den Salzen und Mineralien im Wasser des Toten Meeres herrührt.

Worin liegt nun der Unterschied zwischen dem Leben spendenden See und dem Toten Meer? Es ist nicht das Wasser als solches —beide Seen werden von demselben Wasser des Jordan gespeist.

Der Unterschied besteht darin, dass der See Genezareth das Wasser des Jordan nicht nur entgegennimmt, sondern es auch wieder herausfließen lässt. Für jeden Wassertropfen, den der See in sich aufnimmt, gibt er einen Tropfen weiter. Das Tote Meer hingegen hat keinen Ausfluss. Abgesehen von der Verdunstung behält das Tote Meer jeden Tropfen, der aus dem Jordan in es hineinrinnt.

Der See, der weitergibt, fließt über vor Leben, während derjenige, der alles für sich selbst behält, vollkommen tot ist.

Ich wünsche eine fruchtbare Woche im Teilen und Mitteilen von Leben!

Ihr/Euer Pastor Schnoor