Liebe Leserinnen und Leser

Was bekommt Ihre und Eure Aufmerksamkeit und was rauscht kaum beachtet vorbei? Ich habe bei mir festgestellt, dass es oft negative Dinge sind, auf die viel Aufmerksamkeit fällt. Das scheint nicht nur bei mir zu sein, dass Negatives oft länger und nachhaltiger in mir wirkt als Positives, das ich erlebe oder das mir erzählt wird. Kritik verfängt bei mir wesentlich stärker als Lob. Ich scheine nicht allein damit zu sein. Im Journalismus etwa gibt es den Grundsatz „Nur eine schlechte Nachricht ist eine gute Nachricht!“ Wie ist das bei Ihnen, bei Dir?

Ich hatte in den vergangenen 10 Tagen einige Gelegenheiten, Positives wie Negatives zu erleben und habe mich ein wenig selbst überprüft. Und wenn Euch Selbstbetrachtungen eines Pastors nicht interessieren sollten, überspringt einfach die nächsten drei Absätze!

Es begann mit einem Gottesdienst am 14. Mai in Böel, zu dem neben den drei dienstlich anwesenden Personen (Küsterin, Organist und Pastor) genau eine weitere Person anwesend war! Wir hatten den Gottesdienst vorbereitet und so motiviert gehalten, wie möglich, und während des Gottesdienstes war ich ganz darauf konzentriert. Aber danach brauchte ich den ganzen Rest des Tages, um meine Enttäuschung in den Griff zu bekommen. Liegt es an mir? Sind meine Gottesdienste so schrecklich oder langweilig, dass die Menschen wegbleiben? Oder was sind die Gründe und was kann ich dagegen tun. Kann ich etwas dagegen tun, oder ist es halt einfach die Zeit und der Sonntagsgottesdienst ein Auslaufmodell, wie nicht wenige Menschen auch innerhalb der Kirche sagen. Bin ich halt von gestern und versuche etwas aufzuhalten, was nicht aufzuhalten ist? 

Letztlich war es schlicht eine Enttäuschung, wie sie wahrscheinlich nicht wenige Menschen auf die eine oder andere Weise erfahren und verarbeiten müssen. Man gibt sich Mühe und hat den Eindruck, es zahlt sich nicht aus! Die beiden Tage darauf hatte ich jeweils eine Trauerfeier. Danach war der Sonntag für mich gefühlsmäßig wieder geklärt, und der Gottesdienst am Himmelfahrtstag mit Kollegin und Kollege draußen vor der Kirche in Ulsnis bei phantastischem Wetter baute mich wieder deutlich auf, denn es war schlicht schön! Ebenso die Hochzeit in Böel am Samstag, zu der die St. Ursula-Kirche deutlich besser gefüllt war als 6 Tage zuvor. Menschen den Segen für Ihren Weg mitgeben zu dürfen ist etwas Wunderbares!

Am Sonntag waren es dann zwei Gottesdienste. Unterschiedlich, aber beide schön, auch wenn zum ersten in Süderbrarup einige mehr hätten kommen dürfen, aber dafür waren um 14 Uhr dann umso mehr zur Vorstellung der neuen Kollegin, Sarah Hertel, durch unseren Propst in Norderbrarup. Das ist ja auch verständlich! Ich hatte in diesem Gottesdienst nur kleine Teile und also Zeit, selbst zuzuhören. Das tat mir gut, wie auch das Gespräch, das ich am Montag im Zusammenhang mit einem Wiedereintritt in die Kirche hatte. Es war ein sehr angeregtes und anregendes Gespräch, nach dem ich mal wieder das Gefühl bekam, den besten Beruf der Welt zu haben! Und ich habe wieder einmal gemerkt, wie wichtig die Menschen sind, die mir nicht egal sind, auch wenn ich nicht weiß, ob ich das immer angemessen zum Ausdruck bringen kann, und denen ich auch in meiner Funktion als Pastor nicht egal bin! Mir ist selbst in den letzten 10 Tagen wieder einmal sehr deutlich geworden, wie gut es ist, dass da andere Menschen sind, dass da Gemeinde ist, gerade dann, wenn ich eine negative Phase habe und innerlich durchhänge. Danke an alle, die mich da wieder aufgefangen haben. 

Ende der Selbstbetrachtung, es können wieder alle weiterlesen!

Heute ist mir dann ein Gedicht des Frankfurter Autoren und Theologen Lothar Zenetti [ich hatte ihn irrtümlich mit Kurt Marti vertauscht und zum Schweizer gemacht, bin heute aber dankenswerterweise darauf aufmerksam gemacht worden. Herzlichen Dank!] in einem Buch mit Texten für jeden Tag vor Augen gekommen, das ich bisher noch nie wahrgenommen hatte, das aber für mich heute (23.05.) genau richtig war:

Ich sehe

Ich sehe den sanften Wind

In den Lärchen

gehen und höre das Gras wachsen,

und andere sagen:

Keine Zeit!

Ich sehe den wilden Wassern zu

und den Wolken über den Bergen,

und andere sagen:

Wozu?

Ich sehe den Schmetterlingen nach

und den spielenden Kindern,

und andere sagen:

Na und?

Ich kann mich nicht satt sehen

an allem, was ist,

und andere sagen:

Was soll´s?

Ich bewundere dich, o mein Gott,

in allem, was lebt,

und andere sagen:

Wieso?

Und am Sonntag ist Pfingsten, das Fest, von dem viele nicht mehr wissen, worum es eigentlich geht mit seinen Geschichten, in denen das „Normale“ einfach umgedreht wird und etwas Neues beginnt, ein neuer Anfang, in dem es reichlich egal ist, dass wir das bisher ja noch nie so gemacht haben und da schließlich jeder kommen könne. Pfingsten heißt: Nur weil wir etwas so gewohnt sind, muss es nicht so bleiben. Und nur weil wir etwas nicht erwarten, heißt es noch lange nicht, dass es nicht genau das ist, was Gott mit uns vor hat!

Ein wunderbares Pfingstfest – möge Gottes Geist richtig Bewegung in das Eingeschlafene und Verkrustete und Selbstverständliche bringen!

Und die Sache mit neuen Augen sehen lassen

Ihr/Euer Pastor Schnoor