Liebe Leserinnen und Leser
Normalerweise handeln meine Andachten von biblischen Texten oder bestimmten Aspekten des christlichen Glaubens. Heute eher nicht!
Heute möchte ich Ihnen etwas erzählen, dass mir in diesem Monat eine Menge Freude bereitet hat, die mir wiederum Kraft geschenkt hat. Also Grund zur Freude und die möchte ich mit Ihnen und Euch teilen.
Ich war mit einer Gruppe von 16 Personen auf einer kirchengeschichtlichen Exkursion in Schlesien vom 8.-11. September. Ein wirklich anspruchsvolles Programm und eine wunderbare Gemeinschaft mit Menschen, die ich schon seit Studienzeiten kenne und nur alle paar Jahre auf diesen Exkursionen treffe. Allein das schon ein Grund zur Freude und Dankbarkeit. Aber bei meinem speziellen Grund zur Freude ging es um etwas anderes.
Wir waren an einem Tag in Breslau/Wroclaw, einer wunderschönen Stadt, die allemal einen Besuch wert ist. Ich war persönlich gespannt, weil meine Schwiegermutter aus der Stadt stammt und ich Schlesien überhaupt nicht kannte. Wir bekamen eine sehr gute Stadtführung und dabei entdeckte ich sie – die Zwerge von Breslau!
Der erste war an einer Brücke in der Altstadt aufgestellt, die vor einigen Jahren renoviert worden war. Dabei mussten ca. 13 Tonnen Vorhängeschlösser entfernt werden, die Verliebte an die Brücke gehängt hatten. Der Zwerg symbolisierte, welche Belastung diese in Umlauf gekommene (Un-)Sitte mittlerweile darstellt, er kann es nicht mehr tragen.
Unser Stadtführer erklärte uns, wie es zu diesen Zwergen gekommen ist.
Es begann mit einem politischen Protest in den 80er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Die sogenannte „Orange Alternative“ war eine Bewegung, die in der Unzufriedenheit mit dem kommunistischen Regime wurzelte. Antikommunistische Graffitis wurden dann regelmäßig von der Obrigkeit überstrichen, sodass ihre unerwünschte Botschaft nicht mehr sichtbar war.
Mit der Zeit wurde die Farbe Orange zum Symbol und bei Protestveranstaltungen begannen die Teilnehmer orange Kopfbedeckungen zu tragen, die an Zwergenmützen erinnerten. Und im August 1982 wurden erstmals die zensierten und übermalten Graffitis von der Bewegung erneut übermalt – mit Bildern von Zwergen. Denn wäre es nicht lächerlich, wenn die Regierung Wandbilder von Zwergen zensierte …? Somit wurde der Zwergenaufstand von Breslau zu einer stillen, aber gut sichtbaren Protestform.
Und dann wurde 2001 der „Zwerg-Papa“als eine Erinnerung an die Proteste damals geschaffen und aufgestellt:
Ab 2005 vermehrten sich die Zwerge dann immer mehr, so dass man heute nicht genau sagen kann, wie viele es eigentlich sind.
Mich haben diese Zwerge wirklich fasziniert, weshalb ich den Teil des Nachmittags, den wir zur freien Verfügung hatten, nicht zuletzt mit der Suche nach weiteren Zwergen verbrachte. Einige Beispiele können Sie, könnt Ihr hier sehen:
Das Tolle an diesen Zwergen lag für mich darin, dass sie häufig thematisch mit dem daneben liegenden Gebäude verbunden waren (ein Gefangenen-Zwerg etwa im früheren Gebäude des Stadtgefängnisses oder ein Akademischer Zwerg neben der Universität). Außerdem verbanden sie auf eine fast spielerische Weise verschiedene Bereiche der Altstadt und schufen so das, was man neudeutsch „corporate identity“ nennt. Und gefreut habe ich mich über Idee und kreative Durchführung außerdem sehr. Die Breslauer Zwerge laden auf wunderbare Weise ein, genau hinzuschauen, Details wahrzunehmen und sind so für mich ein Zugang etwa zu dem Wochenspruch dieser Woche aus Psalm 103,2: „Lobe den Herrn meine Seele und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat.“ Etwas sehen, sich darüber freuen können, so dass es den Tag verschönert – ein wunderbares Gegengewicht gegen das muffige Genörgel, mit dem wir uns den Alltag oft noch grauer machen! Und weil mich dieses Beispiel inspiriert hatte, teile ich es mit. Wenn es Euch nicht so anspricht, dann sucht doch einfach eigene Gründe zur Freude im Alltag!
Ich wünsche Ihnen und Euch eine gesegnete Woche, genug Grund zur Freude und die Aufmerksamkeit, solchen Grund auch wahrzunehmen. Manchmal kann er klein sein wie ein Zwerg – und er wirkt doch!
Ihr/Euer Pastor Schnoor